Angesichts langer Wartezeiten in vielen Praxen fordern Ärzte erneut Strafgebühren für Patienten, die gebuchte Termine platzen lassen. Der Sprecher des Bundesverbandes der Kinder- und Jugendärzte, Jakob Maske, sagte der „Bild“: „Es ist nicht mehr zu akzeptieren, dass Patienten Termine verbindlich vereinbaren und diese nicht wahrnehmen.“ So nähmen sie anderen Termine weg. Um Patienten zu sensibilisieren, wäre „ein Ausfallhonorar von bis zu 100 Euro, je nach Länge des vorgesehenen Termins, erforderlich.“ Von Patientenschützern, Kassen und Gewerkschaften kam scharfer Widerspruch.
Der Spitzenverband der gesetzlichen Krankenkassen warnte vor einem „beschämenden Überbietungswettbewerb, wer kranken Menschen am meisten Geld abnehmen möchte“. Alltagserfahrungen der Patientinnen und Patienten seien vielmehr volle Wartezimmer, in denen trotz eines Termins lange gewartet werden müsse, sagte Sprecher Florian Lanz der Deutschen Presse-Agentur.
Ärzte: Bis zu 20 Prozent der Termine platzen
Der Chef der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV), Andreas Gassen, sagte indes der „Bild“-Zeitung, mittlerweile würden zehn bis 20 Prozent der gebuchten Termine nicht mehr wahrgenommen. Er forderte eine Ausfallgebühr für Patienten „in Höhe von 10 bis 20 Euro, die heutzutage in fast allen Lebensbereichen üblich ist“. Diese Gebühr für das Nichterscheinen von Patienten sollte von den Krankenkassen zu zahlen sein, sagte Gassen.
Lauterbach lehnt Strafgebühr ab
Ärzte-Vorstöße zu Strafgebühren wegen ungenutzter Termine sind bereits mehrfach aufgekommen, zuletzt im Herbst. Die Ablehnung ist aber weiterhin breit. Der geschäftsführende Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) nannte es „unvorstellbar, dass gerade ärmere Eltern 100 Euro bezahlen, wenn sie einen Arzttermin mit ihrem Kind nicht wahrnehmen können“. Das wichtigste Problem sei nicht, dass Patienten Termine nicht wahrnehmen - sondern, dass sie keine Termine bekämen oder sehr lange auf Termine warten müssten.
Die Deutsche Stiftung Patientenschutz erläuterte, schon heute verlangten Praxen Strafgebühren für ausgefallene Termine. „Sollte das flächendeckend umgesetzt werden, müssen Gegenmaßnahmen ergriffen werden“, sagte Vorstand Eugen Brysch. „Für ärztlich abgesagte Termine sind Patienten und Krankenkassen dann Ausfallgebühren zu erstatten.“ DGB-Vorstandsmitglied Anja Piel warnte vor einem Generalverdacht und sagte: „Niemand braucht neue Maßnahmen zulasten der Versicherten mit noch mehr Bürokratie.“
Kommen Lösungen für weniger Wartezeiten?
Der Kassen-Spitzenverband forderte eine ernsthafte Debatte über eine bessere Steuerung - also wie Patienten so schnell wie es ihre Erkrankung erfordert zum richtigen Arzt oder ins richtige Krankenhaus kommen. „Wir brauchen keine Diskussion darüber, dass eine junge Mutter, die es mit ihrem kranken Kind nicht rechtzeitig zu ihrem Kinderarzt schafft, auch noch 100 Euro Strafe zahlen muss“, sagte Sprecher Lanz. Patientenschützer Brysch forderte zudem eine systematische Überprüfung der Präsenzzeiten der Vertragspraxen. „Auch ist sicherzustellen, dass zu dieser Zeit keine Privatpatienten behandelt werden.“
In den laufenden Koalitionsverhandlungen von Union und SPD hatte sich die Arbeitsgruppe Gesundheit damit befasst, dass gesetzlich Versicherte oft nur schwer an Facharzttermine kommen. Die AG schlug ein „verbindliches Primärarztsystem“ vor. Hausärzte sollen erste Anlaufstellen sein und Patienten bei Bedarf an Fachpraxen weiterleiten. Union und SPD versprechen sich von den Maßnahmen eine schnellere Terminvergabe und eine zielgerichtetere Versorgung. Lauterbach sagte, es brauche eine „Termingarantie“.
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