Hoffnun Neues Altschulden-Papier: Profitieren NRW-Städte von Lindners Plan?
DÜSSELDORF/BERLIN · Die NRW-Kommunen ächzen unter ihrer Altschuldenlast: Jetzt bietet ein neues Eckpunktepapier aus dem Bundesfinanzministerium offenbar Hilfe. In NRW nimmt Kommunalministerin Scharrenbach das aber wenig euphorisch auf.
In einem aktuellen Eckpunktepapier vom 15. April aus dem Bundesfinanzministerium ist erstmals die Absicht des Bundesfinanzministers Christian Lindner (FDP) zu erkennen, dass der Bund in eine Altschuldenlösung für finanziell belastete Kommunen einsteigen will, wie das im Koalitionsvertrag der Ampelregierung von 2021 festgehalten ist. Sowohl Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) als auch NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) hatten in ihren vergangenen Wahlkämpfen versprochen, für eine Lösung zu sorgen. Besonders im Saarland, in Nordrhein-Westfalen und in Rheinland-Pfalz gibt es viele Städte mit sehr hohen Altschulden, darunter auch Wuppertal, Krefeld, Solingen und Remscheid.
„Das ist nicht einmal alter
Wein in neuen Schläuchen“
Das Eckpunktepapier, das dieser Zeitung vorliegt, spricht von einer „gemeinsamen, einmaligen Kraftanstrengung des Bundes und der betroffenen Länder“. Hierzu beteilige sich der Bund an einer umfassenden Entschuldung der Kommunen durch die jeweiligen Länder, wenn diese denn daran mitwirken wollten. Dabei beteilige sich der Bund „ausschließlich an Landesprogrammen, die ihre Kommunen komplett von übermäßigen Liquiditätskrediten befreien“. Es erfolge keine Mitfinanzierung durch nicht teilnehmende Länder. Und: Die Länder trügen fortan Verantwortung, den neuen Aufbau von Liquiditätskrediten in den Kommunen zu verhindern. Das Monitoring über die Umsetzung in den Ländern erfolge „in Form eines Berichts der Länder an den Bund“.
Das Papier erinnert insgesamt stark an ein Programm (Kommunaler Solidarpakt 2020), das bereits der heutige Kanzler Olaf Scholz 2020 als Finanzminister der Großen Koalition in der Regierung von Angela Merkel (CDU) ausgearbeitet aber nie umgesetzt hatte. Inhaltlich ist deshalb im Papier aus Lindners Haus nicht viel neu. Wohl aber, dass Lindner sich das jetzt zu eigen macht.
Trotzdem steht die nordrhein-westfälische Kommunalministerin Ina Scharrenbach (CDU) dem Papier auf Anfrage dieser Zeitung skeptisch gegenüber. „Das ist nicht einmal alter Wein in neuen Schläuchen. Das ist nicht einmal ein neuer Schlauch“, sagte Scharrenbach in Düsseldorf. „Inhaltlich gibt es den dem Landtag bekannten Gesprächsstand der Landesregierung mit der Bundesregierung wieder. Bewegt hat sich die Bundesregierung damit weiterhin nicht“, so Scharrenbach. Und: „Wir setzen auf die Fortsetzung der Gespräche.“
Altschuldenvorschlag aus NRW für 2024 war gescheitert
Ingo Schäfer (SPD), Bundestagsabgeordneter für Solingen, Remscheid sowie für die Wuppertaler Stadtteile Cronenberg und Ronsdorf, sieht das ganz anders: „Nun ist es an der Landesregierung die Kassenkredite der Kommunen zu übernehmen. Dann wird der Bund 50 Prozent dieser Schulden übernehmen. In anderen Bundesländern gibt es bereits solche Schuldenlösungen. NRW ist nun am Zug. Ich erwarte eine schnelle und gute Lösung, die den Kommunen wirklich hilft“, teilte Schäfer mit.
Zuletzt war eine angedachte Lösung des Altschuldenproblems für den Sommer 2024 in NRW gescheitert. Zuvor hatte der entsprechende Plan Scharrenbachs bei den Kommunen 2023 viel Kritik hervorgerufen. Die Landesregierung hatte mit Hilfsgeldern geplant, die den Kommunen der Regel nach ohnehin zur Verfügung gestanden hätten. Scharrenbach kündigte danach mit Wüst eine Altschulden-Regelung für das Jahr 2025 an. Geklärt werden müsse dafür auch zunächst die Höhe der Liquiditätskredite, hieß es. In die beim Statistischen Landesamt gelisteten 21 Milliarden Euro seien Beträge aus den Kommunen eingeflossen, die nicht den tatsächlichen Verbindlichkeiten entsprächen, so Scharrenbach seinerzeit. Klar ist: Inzwischen wird eine Landeslösung in Nordrhein-Westfalen immer schwieriger, weil die Kassenlage des Landes selbst als äußerst angespannt gilt.
In Lindners Eckpunktepapier gelten jene Liquiditätskredite der Kommunen als „übermäßig“ und damit subventionierbar, die für „eigene Zwecke und nicht zur Finanzierung von Investitionen oder anderem Kommunalvermögen verwendet wurden und einen Sockelbetrag von 100 Euro je Einwohner überschreiten“. Nach dem 31. Dezember 2020 eingeworbene Kredite sind demnach nicht mehr abgedeckt.
Tatsächlich gilt eine Bundeslösung aber auch nach diesem neuen Vorstoß noch immer als Mammutaufgabe, weil es für die einmalige Übernahme von Landesschulden und die Überwachung des Bundes ob potenziell neuer kommunaler Schulden eine Grundgesetzänderung geben muss. Das heißt, die Länder und vor allem die oppositionelle Union müssten mitziehen. Und das ist vor der Bundestagswahl 2025 nicht unbedingt zu erwarten.
Wuppertal plagen Altschulden von rund 900 Millionen Euro
Der CDU-Kreisvorsitzende Johannes Slawig aus Wuppertal ist derweil am Ende seiner Geduld angelangt. Slawig, ehemals Kämmerer der Stadt Wuppertal, sagte dieser Zeitung, das Warten auf den Bund in der Frage der Altschulden durch das Land sei der „Einstieg in den Ausstieg“. Slawig: „Dieses Nichtstun von Bund und Land können die Kommunen nicht hinnehmen. Viele von ihnen stehen angesichts massiver Haushaltsprobleme mit dem Rücken zur Wand.“ In den wirtschaftlich guten Jahren vor 2020 sei es zwar gelungen, einen Teil der Altschulden zu tilgen, aber die verbleibenden belasteten die Haushalte angesichts gestiegener Zinsen immer mehr. Sein Beispiel: „In Wuppertal sind es aktuell Altschulden in Höhe von rund 900 Millionen Euro.“ In Krefeld sind es aktuell rund 250 Millionen Euro. Eine Statistik aus 2023 besagt, dass von 427 Kommunen in NRW 321 mit Altschulden zu kämpfen haben.