Kommentar Politischer Aschermittwoch: Tag der Reflexe

Meinung · Der Politische Aschermittwoch ist eine der besten Gelegenheiten des Jahres, pointiert und glasklar die politischen Unterschiede herauszuarbeiten. Sagen die einen. Die anderen halten das aufgeblasene Zetern am Biertisch mit berechenbaren Inhalten und Publikum für eine aus der Zeit gefallene Tradition, die noch dazu der Seriosität ihrer Inhalte in Form und Dargebrachtem niemals gerecht wird.

Olaf Kupfer

Foto: Olaf Kupfer/Michael Hollmann

Die Wahrheit ist: Es stimmt beides.

Und vor allem stimmt ein drittes: In aktueller Zeit mit Kriegen in Europa und Nahost und großen strukturellen Problemen in Deutschland ist der demokratische Streit im Bierzelt mit  Überspitzung und Rücksichtslosigkeit das denkbar schlechteste Format. Einen Hinweis gibt die Absage der Grünen-Veranstaltung in Biberach: zu gefährlich, wegen opulenter Bauernproteste. Und: Streit in der Bundesregierung erleben die Zuschauer wahrhaft ausreichend. Auch das regelmäßige Zerwürfnis zwischen Regierung und Opposition braucht keinen Aschermittwoch, um gelebt zu werden. Soll heißen: Das, was der Politische Aschermittwoch eigentlich aufzeigen will, ist derzeit nicht das Rezept, mit dem man hierzulande die angehäuften Großkrisen angehen sollte. Deutschland hält sich zu kleinteilig auf. Der Streit verkommt zum Kasperltheater.

Da ist es einigermaßen erfreulich, dass der Aschermittwoch 2024 an manchen Orten etwas anders gelaufen ist, als man das vorschnell feststellen sollte: Immerhin ist fast überall die demokratische Kultur beschworen worden, die ein Gut bleibt in diesen wackligen Zeiten – wenn sie denn auch sinnstiftend gelebt wird. Ausnahmen bestätigen die Regel. In Sachen AfD kann das nicht überraschen. Aber auch der Auftritt des bayrischen Ministerpräsidenten Markus Söder hat einmal mehr nachgewiesen, dass der erste Mann im Freistaat aus der Zeit gefallen sein könnte. Der CSU-Chef verglich Bundesumweltministerin Steffi Lemke (Grüne) mit der verstorbenen SED-Politikerin Margot Honecker, AfD-Fraktionschefin Ebner-Steiner nannte er „Leni Riefenstahl für Arme“. Eine Gangart voller eingeübter Reflexe, bei der keine Fragen offen bleiben.