CDU-Chef im Gespräch Merz: Unsere Distanz zur FDP wird eher größer

Exklusiv | WUPPERTAL. · Friedrich Merz spricht in Wuppertal über Alternativen zur Ampel, Maßnahmen für mehr Wirtschaftskraft und Gespräche mit seiner Frau

Friedrich Merz am Rande eines Empfangs der CDU in Wuppertal-Vohwinkel in der ehemaligen Hako Arena.

Foto: JA/Andreas Fischer

Am Rande des Jahresempfangs der Wuppertaler CDU am Freitagabend in Vohwinkel haben wir mit Friedrich Merz (68), CDU-Chef und Oppositionsführer im Deutschen Bundestag, gesprochen.

Herr Merz, die Ampel kriselt, viele Krisen liegen auf dem Tisch. Nehmen Sie das als Oppositionsführer weiter hin oder müssen Sie früher Bereitschaft zur Übernahme erklären?

Friedrich Merz: Wir nehmen es ja nicht hin. Als Opposition haben wir unsere Arbeit im Deutschen Bundestag in den letzten zweieinhalb Jahren sehr ordentlich gemacht. Aber der Bundeskanzler hat nach unserer Verfassung eine relativ starke Stellung. Wir können ihn im Parlament nicht einfach abwählen. Die Opposition kann auch die Vertrauensfrage nicht stellen. Das alles hat ja auch seine guten Gründe im Sinne der inneren Stabilität unseres Landes. Aber politisch sind SPD, Grüne und FDP eher in einem Standby-Modus. Wären wir in Italien, wäre die Regierung schon längst nicht mehr im Amt.

Mit wem könnte denn die CDU zu Mehrheiten kommen, die eine andere Politik möglich machten?

Merz: Es gibt politisch und auch kulturell in unserem Land keine rot-grüne Mehrheit - wenn wir sie denn überhaupt jemals hatten. Rein rechnerisch gibt es eine Mehrheit rechts der Mitte. Die ist aber keine Option. Mit Rechtsextremen können wir und werden wir nicht zusammenarbeiten. Die AfD ist, wie wir mittlerweile überdeutlich sehen, ein Handlanger der Machthaber in Russland und China. Diese Partei will unserem Land schaden. Wir als CDU müssen deshalb aus eigener Kraft so stark werden, dass ohne uns und gegen uns nicht regiert werden kann. Wir wollen auch so stark werden, dass wir mit einem und nicht mit zwei Koalitionspartnern regieren können. Wir brauchen Optionen. Die AfD ist definitiv keine. Wir sagen den Wählerinnen und Wählern deshalb: Wenn Sie wirklich einen Wechsel wollen, dann können Sie nur die Union wählen.

Was ist Ihre Haltung zur FDP, die sich ja offensichtlich mit Schmerzen durch die Ampelkoalition schleppt?

Merz: Ich habe mit der FDP ein Bild vor Augen: Die FDP steht in einem lichterloh brennenden Haus im zweiten Stock auf dem Balkon und überlegt, ob sie herunterspringen soll. Bleibt sie im Haus, wird sie es sicher nicht überleben. Springt sie raus, ist sie vielleicht auch tot, könnte aber mit etwas Glück auch mit dem Leben davonkommen. Ob sie springt oder nicht, das muss die FDP selbst entscheiden. Ich weiß allerdings nicht, ob die FDP überhaupt einen Plan hat. Was will sie eigentlich wirklich? Darauf warten, dass einer der beiden anderen den Tisch umwirft? Unsere Distanz zur FDP wird jedenfalls eher größer. Wieso verweigert die FDP zum Beispiel bis heute die Vorratsdatenspeicherung? Unsere Ermittlungsbehörden konnten im letzten Jahr mehrere Tausend Verfahren im Bereich der Kinderpornographie nicht eröffnen, weil die IP-Adressen der Straftäter nicht gespeichert werden dürfen. Kinderschänder kommen davon, weil die FDP den Ermittlungsbehörden nicht die notwendigen Instrumente an die Hand geben will. Welche Wählergruppen will die FDP mit so einer Politik eigentlich noch für sich gewinnen?

Auch Wirtschaft und Mittelstand klagen, auch hier im Bergischen. Wie wollen Sie die Stimmung umkehren?

Merz: Genau vor 27 Jahren hat der frühere Bundespräsident Roman Herzog seine berühmte „Ruck-Rede“ gehalten. So einen „Ruck“ durch unsere Gesellschaft brauchen wir heute wieder. Wir sollten das Arbeitszeitgesetz ändern und die höchst zulässige Wochenarbeitszeit festlegen, nicht mehr starr die Tagesarbeitszeit. Wir brauchen sofort ein Moratorium für jede weitere Bürokratie, und zwar in Deutschland und in Europa. Wir müssen den europäischen Binnenmarkt in der Energieversorgung weiter öffnen, damit unsere Energieversorgung gesichert wird. Und die Steuern für die Unternehmen in Deutschland sind einfach zu hoch. Derzeit fließen pro Jahr mehr als 100 Milliarden Euro Investitionskapital aus Deutschland ab. Der Zusammenschluss zu einer großen europäischen Börse wäre eine Möglichkeit, einen wirklich europäischen Kapitalmarktstandort zu schaffen, damit deutsche Unternehmen hierblieben und nicht in die USA abwandern. Es lässt sich mit einigen solchen Entscheidungen schnell die Stimmung verändern, da bin ich mir sicher.

Verzwergt sich Deutschland gegenüber China und Russland zu sehr?

Merz: Wir machen uns jedenfalls als Europäer kleiner als wir sind. Nehmen Sie den Begriff der „Zeitenwende“: Was bedeutet das für uns eigentlich konkret? Sind das 100 Milliarden Euro neue Schulden für die Bundeswehr und alles andere bleibt wie bisher? Oder müssen wir nun wirklich einmal unsere Prioritäten neu ordnen? Wir sind jeden Tag das Ziel von Cyberangriffen auf unsere Datennetze, und wir wissen, dass ein Großteil davon von russischen, nordkoreanischen und immer mehr von chinesischen Geheimdiensten gesteuert wird. Wir reden viel über Datenschutz und bei weitem nicht genug über Datensicherheit. Das sind Themen, die vor allem gegenüber China angesprochen werden müssen. Man muss mit seinen Gesprächspartnern nicht in eine offene Konfrontation gehen. Aber man muss auf Augenhöhe schon mal sagen, das akzeptieren wir so nicht, auch was etwa die militärische Unterstützung aus China für Russland und Nordkorea betrifft. Ich bezweifle, dass China uns bisher ausreichend ernst nimmt. Auch bei der China-Strategie ist sich die Ampel ja überhaupt nicht einig. Genauso beim Thema nationale Sicherheitsstrategie und beim nationalen Sicherheitsrat. Alles Strukturen, die wir heute schnell brauchen, um unsere Sicherheit zu stärken.

Herr Merz, was sagt eigentlich Ihre Frau, wenn Sie Kanzler werden?

Merz: Mit meiner Frau rede ich über alles, und wer Kanzlerkandidat der Union wird, das bespreche ich mit Markus Söder im Spätsommer.