48 Iraner in Syrien verschleppt
Damaskus/Teheran (dpa) - Der grausame Bürgerkrieg zehrt Syrien aus - das Land wird zum Pulverfass für die gesamte Region. Eine islamistische Aufständischen-Gruppe entführte am Samstag in Damaskus 48 iranische Pilger, denen sie unterstellt, feindliche Agenten zu sein.
Der Iran ist einer der engsten Verbündeten von Machthaber Baschar al-Assad - die Rebellen bekommen vom iranischen Erzrivalen Saudi-Arabien Geld und Waffen. Knapp 17 Monate Rebellion und die Sanktionen des Westens haben Syrien auch wirtschaftlich ausbluten lassen. Eine Delegation aus Damaskus sah sich inzwischen genötigt, in Moskau um Geld und Treibstoff zu bitten.
Ein Video, das der saudische Nachrichtensender Al-Arabija am Sonntag ausstrahlte, zeigt einen Teil der entführten Iraner in der Gewalt der sogenannten Al-Baraa-Märtyrerbrigade. Sie hatte sich im Februar mit dem Ziel gegründet, Einrichtungen des Assad-Regimes mit Selbstmordanschlägen anzugreifen. Der Kommandeur der Einheit, Nasser al-Schumeir, hält ausweisartige Dokumente in die Kamera, die die Zugehörigkeit der Entführten zu den iranischen Revolutionsgarden beweisen sollen. Unabhängig überprüfen ließ sich das nicht.
Das iranische Außenministerium entgegnete, dass es sich bei den Entführten einzig um gottesfürchtige Pilger handele. „Wir weisen diese Berichte einiger arabischer Medien kategorisch zurück“, sagte ein Ministeriumssprecher am Sonntag in Teheran.
Der Sender Al-Arabija gehört einem saudischen Geschäftsmann mit enger Bindung ans saudische Herrscherhaus. Saudi-Arabien unterstützt in Syrien vor allem Rebellengruppen mit radikal-islamischer Agenda. Mit dem Iran rivalisiert das Königreich um die Vorherrschaft am Golf.
Teheran hatte bereits am Samstag bestätigt, dass 48 Pilger auf dem Weg zum internationalen Flughafen von Damaskus entführt worden waren. Der Schrein der Sajjida Zeinab in der syrischen Hauptstadt ist ein beliebter Wallfahrtsort für Pilger aus dem schiitischen Gottesstaat. Das Schicksal der Entführten sei ungewiss, hieß es.
Für seine wirtschaftliche Misere machte das syrische Regime die USA und die EU und deren Sanktionen gegen das Land verantwortlich. Beobachter verweisen aber auch auf die enormen volkswirtschaftlichen Kosten eines Bürgerkriegs, der ganze Landesteile lahmlegt, Menschen am Arbeiten hindert und öffentliches wie privates Eigentum zerstört.
Russische Medien berichteten, dass dem Regime vor allem raffinierte Erdölprodukte wie Diesel ausgehen. Die Delegation um Vizeregierungschef Kadri Dschamil habe in Moskau „eine gewisse Summe in harter Währung beantragt, um die komplizierte Lage in Syrien zu überbrücken“. Von russischer Seite lag zunächst keine Reaktion vor.
In der nordsyrischen Metropole Aleppo wurde weiter erbittert gekämpft. Das Regime ließ das von den Aufständischen besetzte Viertel Salaheddin mit Artillerie beschießen. Die Regierungstruppen versuchen seit zwei Wochen vergeblich, die Rebellen aus der zweitgrößten Stadt des Landes zu verdrängen.
Die Hauptstadt Damaskus dagegen ist inzwischen wieder weitgehend unter Kontrolle des Militärs. In tagelangen heftigen Kämpfen eroberten Assads Truppen dort mit dem Stadtviertel Al-Tadamun die letzte Rebellenhochburg zurück. Nach Angaben eines lokalen Aktivisten sollen die Sicherheitskräfte bei Hausdurchsuchungen mehrere Menschen an Ort und Stelle erschossen haben. Von unabhängiger Seite lassen sich diese Informationen nicht überprüfen.
Das Rote Kreuz appellierte an Regierung und Rebellen, Zivilisten von Gewalt zu verschonen. Als eines der ersten europäischen Länder erwägt die Schweiz die Aufnahme von Kriegsflüchtlingen. Man prüfe Möglichkeiten zur Hilfe für eine begrenzte Zahl von Syrern, sagte ein Sprecher des Bundesamtes für Migration in Bern. Während die Vereinten Nationen nach dem Rückzug von Kofi Annan nach einem neuen Syrienvermittler suchen, dringen die arabischen Staaten auf eine veränderte Ausgestaltung des Mandats. „Der einzige annehmbare Auftrag ist, auf eine friedliche Machtübergabe in Syrien hinzuarbeiten“, sagte der Ministerpräsident von Katar, Scheich Hamad bin Dschasim al-Thani.
Bundesverteidigungsminister Thomas de Maizière schloss ein militärisches Eingreifen weiter aus. „Das Scheitern der Diplomatie darf nicht automatisch zum Beginn des Militärischen führen“, sagte er der „Welt am Sonntag“.