Abstimmung trotz Blutvergießens in Syrien

Während Teile des Landes über eine neue Verfassung entscheiden, geht in den Krisenregionen das Töten weiter.

Damaskus. Trotz anhaltender Gewalt und Boykottaufrufen der Opposition hat Syriens Regime zur Abstimmung über eine neue Verfassung aufgerufen. Während in Protesthochburgen am Sonntag weiter gekämpft wurde, gab Präsident Baschar al-Assad in der Hauptstadt Damaskus medienwirksam seine Stimme ab. Die seit Wochen belagerte Stadt Homs ist weiter unter Beschuss.

Bundesaußenminister Guido Westerwelle (FDP) bezeichnete das Referendum als Farce. „Scheinabstimmungen können kein Beitrag zu einer Lösung der Krise sein“, erklärte er. „Assad muss endlich die Gewalt beenden und den Weg für einen politischen Übergang freimachen.“

Um 6 Uhr (7 Uhr Ortszeit) öffneten landesweit rund 14 000 Wahllokale. Etwa 15 Millionen Menschen waren wahlberechtigt. Fernsehbilder zeigten zahlreiche Syrer bei der Stimmabgabe. Unabhängige Angaben zur Beteiligung gab es zunächst aber nicht. Wegen der vom Assad-Regime verhängten Medienblockade ist eine Überprüfung der Berichte aus Syrien nur schwer möglich.

Wichtigste Neuerung im Verfassungsentwurf ist die Aufhebung der Monopolstellung der regierenden Baath-Partei. Allerdings bleiben politische Aktivitäten auf Basis der Religion oder der Stammeszugehörigkeit untersagt. Die Macht des Präsidenten werde aber kaum eingeschränkt, kritisieren Aktivisten. Er behalte Vollmachten wie die Befugnis, das Parlament aufzulösen und die Regierung zu berufen.

Regierungstruppen gingen derweil weiterhin massiv gegen Regime-Gegner vor. In den Protesthochburgen Homs, Hama und Daraa wurden erneut zahlreiche Menschen getötet. Landesweit gab es am Wochenende mehr als 100 Tote. Der vor einem Jahr begonnene Aufstand gegen Assad hat nach Schätzungen bereits deutlich mehr als 7000 Menschen das Leben gekostet.

Die Außenminister der EU wollen heute neue Sanktionen gegen das Regime beschließen. Dabei geht es unter anderem um Einreiseverbote gegen sieben Minister, um das Einfrieren von Vermögenswerten der syrischen Nationalbank in Europa und um ein Verbot des Handels mit Gold, Edelmetallen und -steinen. dpa