Abtreibungsgesetz in Irland: Glaubensfrage um Leben und Tod

Parlament beschließt, dass vom Tod bedrohte Schwangere abtreiben dürfen.

Dublin. Eigentlich sind die Abgeordneten im irischen Parlament Dail Eireann dafür bekannt, dass sie nach getaner Arbeit gerne noch ein Guinness trinken.

Am Mittwoch und Donnerstag allerdings tagten sie bis fünf Uhr morgens und tags darauf bis fast ein Uhr nachts. Es ging um ein besonders heikles Thema: Abtreibung ist im streng katholischen Irland eine Glaubensfrage.

Auf Vorschlag der Regierung erlaubte das Parlament mit großer Mehrheit nun erstmals Schwangerschaftsabbrüche.

Doch was auf den ersten Blick wie ein historischer Beschluss in dem 4,5-Millionen-Einwohner-Land aussieht, ist in Wahrheit das Minimum, das Irland auf inneren und internationalen Druck zugestehen musste.

Wenn das Leben der Schwangeren in Gefahr ist, soll eine Abtreibung künftig zulässig sein. Das gilt auch, wenn zwei Psychologen ihr bescheinigen, dass sie selbstmordgefährdet ist.

Opfer von Vergewaltigungen oder Inzest müssten auch weiterhin ins Gefängnis, würden sie in Irland abtreiben — und sind auf diese Weise zum „Abtreibungstourismus“ nach Großbritannien gezwungen. 4000 Frauen pro Jahr gehen diesen Schritt ins Nachbarland. Die katholische Kirche und ihre Anhänger hatten bis zuletzt versucht, auch das Minimalgesetz zu verhindern.

„Als Schäfer wollen wir stets diejenigen schützen, die dem Schutz der Kirche anvertraut sind, in diesem Fall vor der Bedrohung durch Abtreibung“, sagte der Primas der katholischen Bischöfe in Irland, Sean Brady, noch vor wenigen Tagen. Er gehört zu den eher Gemäßigten seiner Glaubensrichtung.

Seit Jahren hetzen radikale katholische Gruppierungen in Irland gegen jede Bewegung in der Abtreibungsfrage. Am Freitag marschierten christliche Gruppen durch Dublin und hielten Plakate mit der Aufschrift „Du sollst nicht töten!“ in die Kameras.

Immerhin hat das Parlament die rechtlich undurchsichtige Situation in Irland mit seiner Entscheidung beseitigt. Denn schon 1992 hatte der irische Supreme Court erklärt, dass es das verfassungsmäßige Recht auf Abtreibung im Falle gesundheitlicher Gefährdung gebe. Damals hatte eine 14-Jährige geklagt.

Doch in den mehr als 20 Jahren, die seitdem vergangen sind, hatte keine Regierung den Mut, das heikle Thema als Gesetz zur Abstimmung zu stellen. 2009 erstritt der damalige Premierminister Brian Cowen sogar Zugeständnisse aus Brüssel, um eine Mehrheit seiner Landsleute zum Lissabon-Vertrag der EU zu sichern.

Die unklare gesetzliche Lage führte dazu, dass das Quasi-Verbot — auch dank drastischer Strafandrohungen von bis zu lebenslanger Haft — kaum angefochten wurde.

Wie im Fall der indischstämmigen Savita Halappanawar: Die 31-Jährige war in ihrer 18. Schwangerschaftswoche mit starken Schmerzen ins Universitätsklinikum Galway im Westen Irlands gegangen.

Wenige Tage später starb sie an einer Blutvergiftung. Ihre Bitte, den Fötus abzutreiben, schlugen die Ärzte ab. „Dies ist ein katholisches Land“, soll es von der Ärzteschaft geheißen haben, wie ihr Witwer später öffentlich sagte.