Ägypten steht vor neuer Machtprobe
General Al-Sisi fordert Menschen zu Demonstrationen in Kairo auf. Gestürzter Präsident Mursi in Untersuchungshaft.
Kairo. Unablässig strömen die Menschen zum Tahrir-Platz in Kairo. Sie folgen einem Aufruf des mächtigen Armeekommandeurs Abdel Fattah al-Sisi.
In Massen möge das Volk auf die Straße gehen, um ihm ein „Mandat“ für den „Krieg gegen den Terror“ zu geben, hat er zwei Tage zuvor gesagt. Vor mehr als zwei Jahren war der Tahrir-Platz das Epizentrum der Revolution gegen den Langzeitherrscher Husni Mubarak.
Jetzt haben ihn die Gegner seines ersten und gewählten Nachfolgers besetzt, des Islamisten Mohammed Mursi. Ihn hatte die Armee am 3. Juli aus dem Amt gezwungen. Mursi, der bisher an einem unbekannten Ort festgehalten wurde, sitzt seit Freitag formell in Untersuchungshaft. Er soll zu Verschwörungsvorwürfen befragt werden.
Die Stimmung ist aufgeheizt, fast aufgepeitscht. Hier wähnt man sich auf der richtigen, auf der starken Seite. Hubschrauber der Armee kreisen im Tiefflug über den Köpfen. Begeisterter Jubel schlägt ihnen entgegen.
Bilder von Al-Sisi werden verkauft und verschenkt: Al-Sisi in der sterilen Photoshop-Variante aus der Generalstabspressestelle, Al-Sisi mit schwarzer Sonnenbrille, wie er sie zuletzt in der Militärakademie trug, als er das Volk auf die Straße rief.
Deutschland ist hier nicht gut angesehen. Unter den Ägyptern auf dem Platz hat sich herumgesprochen, dass Bundesaußenminister Guido Westerwelle beständig die Freilassung Mursis verlangt.
Mursi und seine Muslimbruderschaft haben ein Jahr lang regiert, eher chaotisch und ohne vorweisbare Erfolge. Für die Demonstranten auf dem Tahrir-Platz sind sie an allen Übeln schuld, die das Land plagen, auch an denen, die in einem Jahr schwerlich zu beseitigen sind.
„Mursi ist eine Schande, das war das schwärzeste Jahr unserer Geschichte“, behauptet der 24-jährige Mohammed Rifai, ein Sicherheitsmann aus der Hotel-Branche im Nildelta. „Ich möchte Al-Sisi sagen: Bekämpfe den Terrorismus, wir unterstützen dich.“
Die „Terroristen“ sind hier die Muslimbrüder. Die Organisation hatte in ihren Anfängen vor 85 Jahren tatsächlich mit terroristischen Methoden gearbeitet, diesen aber vor Jahrzehnten schon abgeschworen.
Allerdings fiel Mursi in seiner Amtszeit durch unglückliche Gesten zugunsten verurteilter islamistischer Ex-Terroristen auf. Jetzt nutzen das die Propagandisten der Armee und die von ihnen mit Informationen „gefütterten“ Massenmedien aus, um die Muslimbruderschaft und den Terror in einen Topf zu werfen.
„Al-Sisi war den Menschen egal, aber seitdem er dem Terror den Krieg erklärt hat, lieben sie ihn“, sagt der 27-jährige Kunststudent Jussif Magdi Hussein. „Sie erwarten von ihm, dass er die restlichen Führer der Bruderschaft in Haft steckt und die Organisation fertigmacht.“