Ägyptens Opposition zum Referendum: „Sagt Nein!“
Kairo (dpa) - Die Gegner der ägyptischen Islamisten wollen sich nun doch an der Volksabstimmung über die neue Verfassung beteiligen. Das Oppositionsbündnis der linken und liberalen Parteien rief seine Anhänger am Mittwoch auf, gegen den Verfassungsentwurf zu stimmen.
Der islamistische Präsident Mohammed Mursi ordnete wegen eines Richterprotests an, dass die Abstimmung in zwei Etappen an diesem und am folgenden Samstag stattfinden soll.
Der Entwurf war von einer Kommission erarbeitet worden, in der die Muslimbrüder und die radikalislamischen Salafisten die Mehrheit hatten. Er wird von allen liberalen und linken Parteien sowie von einigen gemäßigten Islamisten und der koptischen Kirche abgelehnt.
Für die im Ausland lebenden Ägypter begann die Abstimmung bereits am Mittwoch. Das Außenministerium in Kairo berichtete, den größte Andrang von Wählern habe es in den diplomatischen Vertretungen in Kuwait und Saudi-Arabien gegeben.
Das Oppositionsbündnis, dem auch Friedensnobelpreisträger Mohammed ElBaradei angehört, hatte in den vergangenen Tagen heftig darüber diskutiert, ob es besser sei, mit „Nein“ zu stimmen oder den Urnengang zu boykottieren. Nachdem Mursi trotz einer Welle von Protestaktionen eine Verschiebung des Referendums um zwei Monate abgelehnt hatte, setzte sich nun aber die Ansicht durch, dass es doch besser sei, an der Abstimmung teilzunehmen. Die Jugend-Revolutionsbewegung 6. April veröffentlichte am Mittwoch ein Lied mit dem Titel „Sag Nein zur Verfassung“.
Ein Großteil der Richter weigert sich aus Protest gegen Mursis Machtpolitik, das Referendum zu überwachen. Deshalb sollen nun auch Staatsanwälte als Wahlleiter herangezogen werden. Außerdem ordnete Mursi am Mittwoch an, dass die Abstimmung in zwei Etappen stattfinden soll. In Kairo und neun weiteren Provinzen wird am kommenden Samstag abgestimmt, in den anderen Provinzen erst eine Woche später.
Die Armee soll helfen, am Wahltag für Sicherheit zu sorgen. In einigen Regionen wurde sie nach Angaben aus der Militärführung bereits in Bereitschaft versetzt.
Die Christen und die säkularen Parteien lehnen den Verfassungsentwurf ab, weil die Islamisten damit ihrer Ansicht nach den Umbau Ägyptens zu einer Islamischen Republik vorbereiten. Menschenrechtler kritisieren, dass der Entwurf nicht den Schutz von Kindern vor Ausbeutung und Zwangsverheiratung garantiere.
Die staatlichen Medien meldeten derweil, der von Mursi im November eingesetzte Generalstaatsanwalt, Talaat Abdullah, habe den Staatsanwalt Mustafa Chatir aus Ost-Kairo in die Provinz versetzt. Dieser hatte die Freilassung fast aller Demonstranten angeordnet, die nach den blutigen Straßenschlachten vor dem Präsidentenpalast vor einer Woche festgenommen worden waren. Oppositionelle nannten die Versetzung des Staatsanwaltes nach Bani Sueif politisch motiviert.
Die Muslimbruderschaft hatte nach den Zusammenstößen erklärt, die säkularen Parteien und nicht näher bezeichnete ausländische Gruppen hätten die Demonstranten, die gegen den islamistischen Staatschef protestierten, zur Gewalt angestachelt und zum Teil sogar bezahlt. Mehrere Demonstranten waren von Anhängern der Muslimbrüder verschleppt, misshandelt und dann der Polizei übergeben worden.
Vor der Kairoer Media Production City, in der mehrere private Fernsehsender ihre Studios haben, sitzen bereits seit Tagen Salafisten. Die radikalen Islamisten wollen mit ihrem Dauerprotest gegen die aus ihrer Sicht zu negative Berichterstattung über ihre Bewegung protestieren. Am Mittwoch schlachteten sie in ihrem Zeltlager ein Kamel und mehrere Schafe.