„Agenten“-Gesetz: Razzien bei deutschen Stiftungen in Russland
Moskau/Berlin (dpa) - Deutsche Stiftungen im Visier der russischen Behörden: Im Zuge der seit Tagen andauernden Razzien bei Nichtregierungsorganisationen (NGO) wurden am Dienstag im Büro der Konrad-Adenauer-Stiftung (KAS) in St. Petersburg ohne Gerichtsbeschluss mehrere Computer beschlagnahmt.
Das teilte der Moskauer Büroleiter der CDU-nahen Stiftung, Lars Peter Schmidt, der Nachrichtenagentur dpa mit.
Auch andere Stiftungen waren betroffen. Deutsche Politiker reagierten über Parteigrenzen hinweg entsetzt.
„Das können wir in keiner Weise akzeptieren“, sagte Unionsfraktionschef Volker Kauder in Peking. Das Vorgehen der russischen Behörden „stößt bei uns auf völliges Unverständnis“. Die Untersuchungen bei den Stiftungen dienten der Verunsicherung in der Zusammenarbeit mit der Zivilgesellschaft in Russland. Er verfolge die Lage der NGO in Russland „mit großer Sorge“.
Die politischen Stiftungen aus Deutschland leisteten einen wichtigen Beitrag zur Entwicklung demokratischer Strukturen, erklärte CDU-Generalsekretär Hermann Gröhe am Dienstag in Berlin. „Wer diese Arbeit behindert, nimmt in Kauf, dass sich das deutsch-russische Verhältnis verschlechtert“.
Grünen-Chefin Claudia Roth forderte Russland auf, das umstrittene Gesetz über „ausländische Agenten“ zurückzunehmen. Dem Gesetz zufolge müssen sich NGO, die von außerhalb Russlands Geld erhalten, als „ausländische Agenten“ registrieren. Bisher haben das die meisten NGO abgelehnt, weil sie befürchten, als Spione stigmatisiert und verfolgt zu werden.
Russische NGO beklagen seit Tagen, dass ihre Arbeit durch die Kontrollen von Staatsanwaltschaft, Steuerpolizei und Mitarbeitern des Justizministeriums lahmgelegt werde. Betroffen seien mehr als 2000 Büros von landesweit mehr als 40 Organisationen, teilte die Anwaltsvereinigung Agora in Moskau mit. Ziel der Kontrolleure waren die auch mit deutschem Geld finanzierte Organisation Memorial, die Moskauer Helsinki Gruppe und andere. Memorial beklagte, dass Hunderte Dokumente kopiert worden seien.
Der Grünen-Politiker Volker Beck forderte die Bundesregierung auf, die jüngst in Aussicht gestellten Reiseerleichterungen für russische Funktionäre nicht zu gewähren. „Dies ist eine neue Dimension im repressiven Vorgehen des Kremls“, sagte er.
Auch der Vorsitzende der Adenauer-Stiftung, Hans-Gert Pöttering, kritisierte das Vorgehen gegen die KAS-Stelle in St. Petersburg. „Diese Behinderung unserer Arbeit kann auch zu einer Belastung unserer Beziehungen mit Russland führen“, sagte er.
Zuvor hatte die „Süddeutsche Zeitung“ von Razzien unter anderem bei der SPD-nahen Friedrich-Ebert-Stiftung (FES) in Moskau berichtet. „Wir gehen davon aus, dass wir nach Abschluss der Prüfung unsere Tätigkeit in der Russischen Föderation in vollem Umfang fortsetzen können“, sagte Reinhard Krumm, Leiter des Referates Mittel- und Osteuropa der FES, in Berlin.
Der Leiter des Moskauer Büros der Grünen-nahen Heinrich Böll Stiftung, Jens Siegert, sagte der dpa: „Alle unsere russischen Partnerorganisationen sind betroffen“. Siegert kritisierte dies als „Versuch einer Einschüchterung“.
Außenminister Guido Westerwelle (FDP) hatte in der vergangenen Woche solche „konzertierten Aktionen“ als nicht akzeptabel kritisiert. Grünen-Chefin Roth nannte es ein alarmierendes Zeichen großer Nervosität und Schwäche, wenn der Kreml meine, die stärker gewordene Zivilgesellschaft unterdrücken zu müssen.
Die Verwendung des Begriffs „ausländische Agenten“ habe in der russisch-sowjetischen Geschichte brutalste Verfolgungen und Hinrichtungen zur Folge gehabt, betonte Roth. „Es ist hochgradig alarmierend, wenn die russische Regierung begrifflich an solche Zeiten anknüpft.“ Präsident Wladimir Putin, ehemals KGB-Offizier in Dresden und Ex-Geheimdienstchef, hatte immer wieder davor gewarnt, dass der Westen über seine Agenten Russland infiltriere.