Al Kaida im Jemen lässt den Westen zittern

Die USA reagieren auf ein angebliches Telefonat von zwei Führern des Terrornetzwerkes.

Sanaa. Jemens Hauptstadt Sanaa glich am Dienstag einer Stadt im Belagerungszustand. „Drohnen kreisen über uns, in den Straßen fahren Panzer, die Zugänge zu den Botschaften sind blockiert“, berichtete Hakim al-Masmari, Chefredakteur der „Yemen Post“. Nach Terrorwarnungen der US-Geheimdienste riefen die USA, Großbritannien und die Niederlande ihre Landsleute auf, das Land zu verlassen.

Amerikanische Medien berichteten, dass die US-Geheimdienste ein Telefonat des Al-Kaida-Chefs Aiman al-Sawahiri mit dem Befehlshaber im Jemen, Nasser al-Wahischi, abgehört haben. Demnach habe der Jemenit den Befehl erhalten, US-Einrichtungen anzugreifen. Al-Sawahiri, der irgendwo in Pakistan vermutet wird, hatte außerdem seine Anhänger in einer Audio-Botschaft dazu aufgefordert, „westliche Interessen“ zu attackieren.

Das angebliche Telefonat des ägyptischen Nachfolgers von Osama bin Laden mit Al-Wahischi rückt den Jemen ins Zentrum der Aufmerksamkeit. „Das war bedeutsam, denn es waren die Schwergewichte (der Al Kaida), die da miteinander redeten, und noch dazu über einen sehr konkreten Zeitplan für eine oder mehrere Attacken“, zitierte die „New York Times“ einen nicht genannten US-Offiziellen.

Experten gehen davon aus, dass Al Kaida selbst unter Bin Laden nie eine fest gefügte Organisation war, sondern eher ein loses Netzwerk, in dem persönliche Loyalitäten zählten und in dem Überzeugungstäter bestimmte Terroraufträge ausführten. Nach der Vertreibung der Al Kaida aus Afghanistan verstärkte sich der dezentrale Charakter noch.

In muslimischen Ländern mit Gebieten, in denen die Ordnung in Aufständen und Bürgerkriegen zusammenbrach, etablierten sich immer neue Al-Kaida-Ableger. Gruppen sunnitischer Dschihadisten (Glaubenskrieger) im Irak, im Jemen, in Somalia, in Nordafrika und zuletzt in Syrien erklärten sich selbst zum örtlichen Al-Kaida-Arm. Dabei verfolgten sie eigene Ziele: den Kampf um Macht in ihren Ländern — unter dem Namen der Al Kaida, als Akteure eines Franchise-Systems des Terrors.

Als Bin Laden im Mai 2011 in seinem pakistanischen Versteck von einem US-Sonderkommando getötet wurde, dürfte er die in den Kriegs- und Elendszonen der islamischen Welt florierenden Filialen seines Netzwerks kaum mehr operativ geführt haben. Auch sein Anliegen, die USA zu bekämpfen, trat in den Hintergrund. Die neuen Formationen, die unter dem Al-Kaida-Label auftreten, sind mit ihren örtlichen Konflikten ausgelastet.