Hoffnung für 600 Flüchtlinge Alle Geretteten der „Aquarius“ in Spanien

Valencia (dpa) - Das Drama um mehr als 600 Bootsflüchtlinge ist nach tagelanger Irrfahrt im Mittelmeer beendet. Das vor einer Woche von Italien abgewiesene Flüchtlings-Rettungsschiff „Aquarius“ und zwei weitere Schiffe fuhren am Sonntag in den Hafen der spanischen Stadt Valencia ein.

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Nachdem Italien und Malta der „Aquarius“ die Einfahrt verweigert hatten, erklärte sich die neue sozialistische Regierung Spaniens zur Aufnahme bereit. Die Odyssee der Bootsflüchtlinge erregte international Aufsehen. Italiens Innenminister Matteo Salvini von der fremdenfeindlichen Partei Lega kündigte an, Italien werde weitere private Rettungsschiffe mit Migranten abweisen.

Die „Aquarius“ erreichte mit 106 Migranten an Bord kurz vor 11 Uhr den Hafen von Valencia. Auch die italienischen Schiffe „Dattilo“ (274) und „Orione“ (250) trafen in Spanien ein. Die Gesamtzahl der Migranten stieg von zunächst 629 auf 630, weil auf See ein Kind geboren wurde. Bei der mehr als 1500 Kilometer langen Überfahrt nach Valencia kämpften die Schiffe zum Teil mit meterhohen Wellen.

Das von der Hilfsorganisation SOS Méditerranée gecharterte frühere Vermessungsschiff „Aquarius“ hatte vor einer Woche die afrikanischen Migranten, die vor der libyschen Küste auf verschiedenen Booten unterwegs waren, aus Seenot gerettet. Zur Überfahrt nach Spanien wurden Hunderte dieser Flüchtlinge auf die Schiffe „Dattilo“ und „Orione“ verteilt.

In Valencia wurden die Migranten zunächst von knapp 300 Angehörigen des spanischen Roten Kreuzes empfangen und betreut. An der Empfangsoperation nahmen insgesamt rund 2300 Menschen teil. Unter den Migranten sind den amtlichen Angaben zufolge insgesamt 123 Minderjährige und mindestens sieben schwangere Frauen.

Am Abend wurden die meisten der Flüchtlinge nach Abschluss der ersten Aufnahme-Maßnahmen in verschiedene Unterkünfte gebracht. 200 Migranten hätten am Ankunftsort in Valencia im Osten des Landes ärztlich behandelt werden müssen, nennenswerte Gesundheitsprobleme habe aber keiner aufgewiesen, sagte der Chef des Notfalldienstes der Regionalregierung, Jorge Suárez, in einer Bilanz am Sonntagabend vor Journalisten in Valencia. Fünf Migranten würden vorsichtshalber die Nacht im Krankenhaus verbringen.

Allen Aufgenommenen gehe es den Umständen entsprechend gut, hieß es. „Sie waren besonders bei der Ankunft verstört, aber das ist normal. Man muss sich in ihre Lage versetzen: Du steigst aus einem Schiff und das erste, was du siehst, sind Menschen, die dich begrüßen und Masken tragen“, erklärte Suárez. Es gebe Menschen aus insgesamt 31 Ländern. Die Migranten stammen den Angaben zufolge mehrheitlich aus Nigeria, dem Sudan, Eritrea und Algerien.

Wohin die Migranten gebracht werden sollten, wurde vorerst nicht bekanntgegeben. Es gebe mindestens 68 Kinder, die zunächst in „einer Bildungseinrichtung außerhalb Valencias“ gebracht werden sollten, wie ein Sprecher der Regionalregierung der Deutschen-Presseagentur dpa verriet. „Mehr kann ich nicht sagen“, hieß es.

Der italienische Innenminister und Vizeregierungschef Salvini kündigte an, sein Land werde nicht mehr zulassen, dass Organisationen im Mittelmeer aufgenommene Migranten routinemäßig nach Italien bringen. Die guten Zeiten für diese Gruppen seien vorbei, erklärte er via Twitter. „Wir sind die Herren in unserem eigenen Haus.“ Zur Ankunft der „Aquarius“ in Spanien schrieb der Lega-Chef auf Facebook: „Das ist ein Zeichen, dass sich gerade etwas ändert. Wir sind nicht länger die Fußmatte Europas.“

Sophie Beau von SOS Méditérranée warf am Sonntagabend Europa vor, „kriminell“ zu handeln. „Das Mittelmeer ist immer noch die gefährlichste Route. Das, was mit der Aquarius passiert ist, ist inakzeptabel und darf sich nicht wiederholen.“ Die EU rief sie dazu auf, schnellstens eine humane Migrationspolitik zu beschließen.

Anders als private Flüchtlingsretter haben italienische Küstenwache und Marine aber weiter Zugang zu den Häfen des Landes. Mit insgesamt 523 Migranten nehme das Schiff „Diciotti“ Kurs auf Italien, teilte die Küstenwache am Sonntag mit. An Bord seien auch die 40 Überlebenden eines Flüchtlingsunglücks vor der Küste Libyens, die das US-Schiff „Trenton“ am Dienstag gerettet hatte und deren Schicksal tagelang unklar war.

Die Sprecherin von SOS Méditerranée France, Sophie Rahal, erklärte, die Migranten seien an Land zuerst in einem Zelt medizinisch und psychisch betreut und anschließend registriert worden. Alle Schwangeren sollten zunächst in Krankenhäuser gebracht werden. Die Kinder erhalten eine spezielle Betreuung.

Zusätzliche Unterkünfte müsse Spanien nicht organisieren, hieß es. „Wir haben genug Aufnahmekapazitäten“, sagte der Chef des Rettungsdienstes des spanischen Roten Kreuzes, Iñigo Vila.

Spanien will die Geretteten wie alle anderen Migranten behandeln. „Sie werden so behandelt werden, wie alle Flüchtlinge, die bei uns etwa auf Booten eintreffen“, erklärte Innenminister Fernando Grande-Marlaska. Jeder Fall werde einzeln geprüft, hieß es.

Es ist aber davon auszugehen, dass viele eine Weiterreise versuchen werden. Die stellvertretende Regierungschefin Carmen Calvo sagte, Madrid werde das Angebot der französischen Regierung annehmen und alle Flüchtlinge, die das wünschten, ins Nachbarland schicken.

Spanien, das in den zurückliegenden zehn Jahren 200.000 Flüchtlinge empfangen habe, sei für die Migranten ohnehin „nur ein Eingangstor“, sagte Vila vom Roten Kreuz. „Asyl beantragen viele woanders.“