Monatelang eingesperrt Amnesty wirft Ungarn Flüchtlingsmisshandlung vor
London/Budapest (dpa) - Kurz vor dem ungarischen Referendum über eine EU-Quote zur Aufnahme von Flüchtlingen erhebt Amnesty International schwere Vorwürfe gegen die Regierung von Ministerpräsident Viktor Orban.
Einem Bericht der Menschenrechtsorganisation zufolge werden Asylsuchende in Ungarn regelmäßig Opfer von Misshandlungen oder grundlos monatelang eingesperrt. Ein Vertreter des ungarischen Innenministeriums bestritt die Anschuldigungen.
Für den Bericht, der am Dienstag veröffentlicht wurde, hat Amnesty 143 Zeugen, hauptsächlich Flüchtlinge und Migranten befragt, sowie Untersuchungen in Serbien, Ungarn und Österreich durchgeführt. Das Dokument mit dem Titel „Gestrandete Hoffnung - Ungarns anhaltender Angriff auf die Rechte von Flüchtlingen und Migranten“ spricht von der „schockierenden Behandlung“ von Menschen, die nach dem Willen der Behörden vom Betreten des Landes abgeschreckt werden sollen.
Ein neues Gesetz erlaubt demnach ungarischen Sicherheitskräften, Menschen, die auf der Flucht bereits unbemerkt ungarisches Territorium betreten haben, nach Serbien zurückzudrängen. Dabei komme es, wie Zeugen berichten, zu Schlägen, Tritten oder Angriffen durch Hunde. Flüchtlinge, die versuchten, einen der wenigen legalen Grenzübergänge nach Ungarn zu nutzen, müssen dem Bericht zufolge oft zu Hunderten monatelang in völlig überfüllten Lagern in Serbien ausharren. Alleinreisende Männer würden grundlos wochenlang eingesperrt.
Selbst die Mehrheit der anerkannten Asylsuchenden darf nach Angaben von Amnesty die Lager nicht verlassen. Auch dort komme es regelmäßig zu Übergriffen. Oft müssten die Menschen unter unhaltbaren hygienischen Zuständen und ohne ausreichende medizinische Versorgung leben. „Das ungarische (Asyl-)System ist unverhohlen darauf angelegt, Schutzsuchende vom Betreten des Landes abzuhalten“, hält der Bericht fest.
Der ungarische Staatssekretär im Innenministerium, Karoly Kontrat, erklärte am Dienstag in Budapest, die Behauptungen des Amnesty-Berichts seien „unwahr und ohne jede Grundlage“. „Die ungarischen Polizisten und Grenzjäger verfahren gemäß dem Gesetz und begehen keine Rechtsverstöße“, sagte er.
Amnesty und andere Menschenrechtsorganisationen wie Human Rights Watch haben im letzten Jahr immer wieder ähnliche Übergriffe der ungarischen Behörden beanstandet und dokumentiert. Unter dem rechtskonservativen Regierungschef Orban schottet sich Ungarn konsequent gegen Flüchtlinge ab. Am kommenden Sonntag (2. Oktober) findet eine Volksabstimmung statt, bei der die Bürger EU-Quoten für die Verteilung von Asylsuchenden ablehnen sollen.