Wahllokale geschlossen Hohe Beteiligung bei Parlamentswahl in Ungarn
Budapest (dpa) - Bei der mit Spannung erwarteten Parlamentswahl in Ungarn hat es am Sonntag eine überraschend hohe Wahlbeteiligung gegeben. Nach letzten Umfragen konnte die Fidesz-Partei des EU-kritischen Ministerpräsidenten Viktor Orban mit einer absoluten Mehrheit rechnen.
Zunächst unklar blieb, ob die höchste Wahlbeteiligung seit 1994 die Chancen der zersplitterten Opposition erhöht.
Die Wahllokale schlossen formal um 19.00 Uhr. Wegen des großen Andrangs blieben am Abend in Budapest mindestens zwei Wahllokale länger geöffnet. Das Nationale Wahlbüro wollte nach Schließung des letzten Wahllokals Teilergebnisse veröffentlichen. Mit einem vorläufigen Endergebnis war zunächst gegen Mitternacht gerechnet worden.
Mehr als acht Millionen Ungarn waren am Sonntag dazu aufgerufen, ein neues Parlament zu wählen. Der mit Spannung erwartete Urnengang sah die höchste Wahlbeteiligung seit 1994: um 17.00 Uhr hatten nach Angaben des Wahlbüros fast fünf Millionen Bürger oder 63,2 Prozent der Wahlberechtigten ihre Stimme abgegeben. Vor vier Jahren hatte die Wahlbeteiligung insgesamt bei 62 Prozent gelegen.
Ein Wahlsieg würde für Orban die vierte Amtszeit und die dritte in Folge bedeuten. Seit 2010 steuert der rechtskonservative Politiker einen Konfrontationskurs zur EU. Streitpunkte sind unter anderen die Asylpolitik, die Einschränkung von Medienfreiheit, Unabhängigkeit der Justiz und Bürgerrechten sowie der mutmaßliche Missbrauch von EU-Fördergeldern. Von der EU beschlossene Quoten zur faireren Verteilung von Asylbewerbern boykottierte Orban.
Ob und wie die Opposition von der hohen Wahlbeteiligung profitierte, war zunächst unklar. Diese ist heterogen zusammengesetzt und reicht von der rechtsextremen Partei Jobbik (Die Besseren) über die linke Ungarische Sozialistische Partei (MSZP) und die Öko-Partei Politik kann anders sein (LMP) bis hin zu Kleinparteien, die keine Chancen auf den Einzug ins Parlament haben. Ihre Vertreter zeigten sich am Sonntag angesichts des großen Wählerandrangs optimistisch. „Das sind gute Nachrichten, vor allem für die, die einen Wechsel wollen“, sagte MSZP-Spitzenkandidat Gergely Karacsony.
Die Opposition muss sich allerdings in einem Wahlsystem durchsetzen, das die Fidesz-Partei von Orban als relativ stärkste politische Kraft deutlich begünstigt. 106 der 199 Parlamentsmandate werden in Direktwahlkreisen nach dem Mehrheitsprinzip vergeben, die übrigen 93 proportional über Parteilisten, für die es eine Fünf-Prozent-Hürde gibt. Nach 2010, als Orban über eine verfassungsändernde Zweidrittelmehrheit verfügte, hatte er das Wahlsystem noch stärker auf seine Bedürfnisse zugeschnitten. Außerdem kontrollieren die Regierung und ihr nahe stehende Oligarchen die meisten reichweitenstarken Medien.
Im Wahlkampf hatte Orban die Migration zum fast ausschließlichen Thema gemacht. „Es geht um die Zukunft Ungarns“, sagte er am Sonntagmorgen bei der Stimmabgabe in seinem Wahllokal im Budapester Stadtteil Zugliget. In der Kampagne hatte Orban behauptet, dass die EU, die UN und der US-Milliardär George Soros Pläne verfolgen würden, um Zehntausende Migranten in Ungarn anzusiedeln und das Land zum „Einwanderungsland“ zu machen. Nur wenn er weiterregiere, könne dies verhindert werden. Beweise für die angeblichen Pläne legte er keine vor. Soros, ein aus Ungarn stammender Holocaust-Überlebender, hatte sein Geld als Börsenspekulant gemacht - heute unterstützt er Zivilorganisationen, die sich für Demokratie und Menschenrechte einsetzen.
Die Opposition wirft Orban vor, die Demokratie in Ungarn abzubauen. Staatliche Ressourcen und EU-Förderungen würden Orban-nahen Oligarchen zugeschanzt. Aber auch die EU-Antikorruptionsbehörde Olaf ermittelt in zahlreichen mutmaßlichen Missbrauchsfällen in Ungarn. In einen soll sogar Orbans Schwiegersohn verstrickt sein.
Orban bestreitet die Vorwürfe und verweist auf deutlich gestiegene Reallöhne und gesunkene Arbeitslosigkeit. In den EU-Institutionen geht man davon aus, dass eine Wiederwahl Orbans zu weiteren Konflikten zwischen Budapest und Brüssel führen wird, vor allem in der Asylfrage.