Der Kampf vor dem Sturm Angreifer rücken an IS-Bastion Mossul heran
Baschika/Erbil (dpa) - Generalmajor Nureddin Hussein Herki ist nicht zufrieden. Aus Sand, Steinen, Sägespänen und Teilen, die wie Lego aussehen, haben Männer seiner Einheit den Frontabschnitt nachgebaut, den der Peschmerga-Kommandeur befehligt.
Ein Modell zwei Schritte breit und zwei Schritte lang. Auf der einen Seite der Berg Baschika, eine von Kurden kontrollierte Anhöhe; auf der anderen Mossul, letzte Bastion der Terrormiliz Islamischer Staat (IS) im Irak.
Herki, ein Mann mit kräftigem Schnurrbart, könnte hier die Erfolge der Peschmerga erklären - wenn denn das Modell auf dem neuesten Stand wäre. Stattdessen raunzt der Generalmajor einen Uniformierten mit Milchgesicht an, die schwarzen Schildchen, die den IS symbolisieren, aus mehreren Dörfern zu entfernen. Als ihm das zu lange dauert, geht er selbst in die Knie und reiht eigenhändig grüne Steinchen auf, die die Front abstecken: Sie liegt jetzt viel näher an Mossul.
Seit zehn Tagen läuft die lang erwartete Offensive der Armee und der kurdischen Peschmerga auf die Stadt, und bislang sind die Angreifer ein ordentliches Stück vorangekommen. Von Norden und Osten sind sie nahe an Mossul herangerückt. Nur die Front im Süden hängt hinterher. Dennoch laufe alles nach Zeitplan, beteuerte der US-Sonderbeauftragte für die IS-Bekämpfung, Brett McGurk, bei einem Besuch in Bagdad.
Dieser Meinung ist auch Generalmajor Herki, der eine Karte ausgebreitet hat, auf der Pfeile das Kampfgeschehen zeigen. Baschika, ein wichtiger Ort am Fuße des gleichnamigen Berges, sei umzingelt. Ja, es gebe Widerstand, aber nicht so stark wie erwartet. Daesch, wie Araber und Kurden die Terrormilz nennen, sei mehr damit beschäftigt, Mossul zu sichern, sagt Herki und fährt mit dem Finger von Norden nach Süden um die Stadt, wo der IS einen Graben ausgehoben hat. „Ihre Moral ist niedrig“, glaubt er. „Über Funk kontaktieren sie sich gegenseitig und reden darüber, wie sie fliehen können.“
Allerdings reichen wenige IS-Kämpfer aus, um ihren Gegner Opfer abzuverlangen. Das mussten auch Herkis Männer merken, als sie Baschika stürmen wollten. Der IS schickte Selbstmordattentäter los. Sie jagen sich mit Autobomben oder Sprengstoffgürteln in die Luft. Einer allein habe zwölf Peschmerga mit in den Tod gerissen, erzählt ein Sanitäter in der Nähe der Front. Die meisten Opfer aber gebe es durch Scharfschützen, sagt er und zeigt mit dem Finger auf die Körperteile, auf die sie zielen: Hals, Brust, Schulter und Rücken.
Das sind Berichte, die auch von anderen Frontabschnitten zu hören sind. Nicht zu vergessen die Tunnelsysteme, die der IS vielerorts ausgehoben hat und aus denen auch dann noch plötzlich IS-Kämpfer auftauchen können, wenn ein Ort schon längst eingenommen wurde. Die bisherige Gefechte sind ein Vorgeschmack auf das, was noch kommt: der eigentliche Sturm auf Mossul. Und sie verheißen wenig Gutes.
Denn während die Angreifer bisher nur Dörfer und größere Orte einnehmen mussten, wartet dort eine Millionenstadt auf sie. Es werden Eliteeinheiten der irakischen Armee sein, die in die Stadt vorstoßen. Die Peschmerga selbst wollen nicht mehr viel weiter vorrücken. Überhaupt stellt sich für sie die Frage, ob sie einen Kampf innerhalb Mossuls überhaupt bestehen könnten. Straßenkämpfe kennen die Peschmerga, die aus den Bergen kommen, bislang kaum.
Zudem klagen sie immer wieder darüber, dass ihnen trotz der Hilfe aus dem Ausland die richtigen Waffen fehlen, um gegen den IS effektiv vorgehen zu können. Loblieder stimmen die Kurden auf die Panzerabwehrwaffe „Milan“ an, die Deutschland geliefert hat. Sie sei sehr effektiv, um IS-Selbstmordattentäter zu stoppen, sagt Peschmerga-Sprecher Halgord Hikmat. Aber es seien alte Modelle, „und auch die Muntion wird sich bald dem Ende zuneigen“.
An der Baschika-Front baten die Peschmerga die türkische Armee um Hilfe. Deren Artillerie und Panzer hätten auf den IS gefeuert, erzählt Herki. Die Angriffe seien „sehr, sehr effektiv“ gewesen. Der Generalmajor sieht müde aus nach fast zwei Wochen Kämpfen. Seine Augen sind eingefallen, er gähnt immer wieder. Trotzdem macht er sich später auf den Weg, um einen der Außenposten auf dem Berg Baschika zu inspizieren, einer staubigen Steppengegend.
Kurz vor Sonnenaufgang steht Herki neben anderen Peschmerga und schaut hinter Sandsäcken wie von einer Loge herab auf ein Dorf, aus dem die Kurden den IS vertreiben wollen. Durchs Fernglas sind unten im Dunst Humvees zu sehen, gepanzerte Fahrzeuge, mit denen die Kurden vorrücken. Der Ort sei heute nach stundenlangen Kämpfen eingenommen worden, sagt einer der Peschmerga. Trotzdem sind aus der Ferne immer wieder Explosionen und Maschinengewehre zu hören.
Herki ist im Schlepptau eine hohen Politikers der führenden Kurden-Partei KDP gekommen, Scheich Abdul Muhaimin Barsani. „Wir gehen in kleinen Schritten vor, bis wir alle Ort kontrollieren“, erklärt der ältere Herr, der ein Tuch als Kopfbedeckung trägt. „Wir Peschmerga sind sehr stolz auf das, was wir mit einfachen Waffen erreicht haben“, sagt Barsani. Und wirkt zufrieden in diesem Moment.