Angriff auf Hilfskonvoi in Syrien
Aleppo/New York (dpa) - Als Reaktion auf die Bombardierung eines UN-Hilfskonvois im Norden Syriens haben die Vereinten Nationen alle Hilfsgütertransporte in dem Bürgerkriegsland gestoppt. UN-Generalsekretär Ban Ki Moon bezeichnete den Angriff als „widerlich“.
Russland wies jede Verantwortung zurück.
Zehntausende notleidende Syrer müssen nun weiter auf Unterstützung von außen warten. In dieser Lage unternimmt die internationale Gemeinschaft einen weiteren Versuch, den praktisch gescheiterten Waffenstillstand in Syrien doch noch zu retten. Die Außenminister aus mehr als 20 Staaten - darunter auch die USA und Russland - vereinbarten in New York am Rande der UN-Vollversammlung, ihre Bemühungen noch einmal zu intensivieren. Am Freitag soll in einem weiteren Treffen - ebenfalls in New York - dann Bilanz gezogen werden.
Außenminister Frank-Walter Steinmeier sagte, bei dem Treffen der sogenannten Syrien-Unterstützergruppe sei allen klar gewesen, dass man sich in dem seit mehr als fünf Jahren andauernden Konflikt an einer „Wegscheide“ befinde. Zuvor hatte er sich enttäuscht über die neue Gewalt gezeigt. „Innerhalb von wenigen Stunden ist alles zusammengebrochen. Wir werden überlegen müssen, ob es Wege gibt zurück in den verhandelten Waffenstillstand oder ob das schon aussichtslos geworden ist“, sagte er.
Am Rande der UN-Vollversammlung soll es nun dazu weitere Gespräche in unterschiedlichen Rahmen geben, bis sich die Gruppe noch einmal zusammensetzt. „Wir wollen uns am Freitagmorgen erneut treffen, um zu schauen, wie sich die Waffenruhe halten lässt und damit auch die amerikanisch-russischen Vereinbarungen“, sagte der SPD-Politiker.
Russland sah indes kaum Chancen für eine rasche Erneuerung der Waffenruhe. Die Lage in dem Bürgerkriegsland sei extrem gespannt und löse Besorgnis aus, sagte Kremlsprecher Dmitri Peskow. Damit die Waffenruhe doch noch gerettet werden könne, müssten die Angriffe von Rebellen auf die syrische Armee aufhören.
In Syrien wurde die Lage der notleidenden Zivilisten unterdessen immer verzweifelter. Bei dem Angriff auf einen UN-Hilfskonvoi in dem Ort Orem al-Kubra am Montagabend wurden mehr als 20 Zivilisten getötet, wie das Internationale Komitee vom Roten Kreuz (IKRK) und der Syrisch-Arabische Rote Halbmond mitteilten. Ein großer Teil der Lieferung sei zerstört worden.
Ban Ki Moon sagte zum Auftakt der UN-Generaldebatte in New York: „Die Helfer, die dort lebensrettende Güter lieferten, waren Helden. Diejenigen, die sie bombardierten, waren Feiglinge.“
Die syrische Armee hatte am Montagabend die brüchige Waffenruhe nach einer Woche für beendet erklärt. Kurz danach flogen Kampfjets in der Provinz Aleppo und in der gleichnamigen Stadt Dutzende Luftangriffe auf Rebellengebiete, wie die Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte berichtete. Mindestens 38 Menschen seien ums Leben gekommen. Auch bei dem Angriff in Orem al-Kubra handelte es sich demnach um eine Bombardierung aus der Luft.
Regimegegner machten dafür die syrische und russische Luftwaffe verantwortlich. Ein Mitarbeiter der Hilfsorganisation Weißhelme erklärte in einem Internetvideo, ein Hubschrauber der syrischen Luftwaffe habe Fassbomben abgeworfen.
Das Verteidigungsministerium in Moskau wies jede Verantwortung zurück. „Weder die russische noch die syrische Armee hat einen Luftangriff auf den UN-Konvoi bei Aleppo geflogen“, sagte Generalmajor Igor Konaschenkow der Agentur Interfax zufolge. „Wir haben Videoaufzeichnungen geprüft und keine Anzeichen festgestellt, dass die Wagenkolonne von Munition - welcher Art auch immer - getroffen wurde.“ Er fügte hinzu: „Alles, was wir im Video gesehen haben, ist eine direkte Folge eines Brandes.“
Das US-Zentralkommando geht dagegen davon aus, dass es sich um einen Luftangriff handelte. „Es sieht danach aus“, sagte Sprecher John Thomas am Dienstag. „Und es war mit Sicherheit nicht die Koalition, die aus der Luft angegriffen hat.“ Die einzigen anderen Parteien, die in Syrien operierten, seien das Regime und Russland. „In der Vergangenheit war das eine strategische Gegend der Russen“, fügte er mit Blick auf den Angriffsort hinzu.
Die UN wollen ihre Hilfe für Zehntausende notleidende Syrer erst wieder aufnehmen, wenn die Sicherheitslage der UN-Mitarbeiter geprüft worden ist. OCHA-Sprecher Jens Laerke teilte in Genf mit, die UN hätten für den Hilfstransport alle erforderlichen Genehmigungen sowohl der syrischen Regierung als auch der Rebellen gehabt. Dass die Lastwagen trotzdem bombardiert worden seien, sei „ein schwarzer Tag für alle humanitären Helfer weltweit“. Sollte sich herausstellen, dass der Angriff am Montag gezielt erfolgte, wäre dies ein Kriegsverbrechen, sagte OCHA-Chef Stephen O'Brien.