Annan warnt vor Explosion des Syrien-Konflikts
New York/Beirut (dpa) - Nach einem erneuten Massaker in Syrien wächst die Sorge vor einem Flächenbrand und dem Ausbruch eines Krieges in der ganzen Region.
Der UN-Sicherheitsrat konnte sich trotz Mahnungen von UN-Generalsekretär Ban Ki Moon und dem Syriengesandten Kofi Annan nicht auf eine gemeinsame Haltung einigen. Russland und China verhindern nach wie vor Sanktionen gegen die Regierung von Baschar al-Assad. Bundeskanzlerin Angela Merkel nannte die Lage in Syrien „schrecklich“. Vor Ort starben am Freitag mindestens 36 Menschen bei neuen Kämpfen.
Annan warnte am Donnerstag vor einem ausufernden Regionalkrieg. „Syrien ist nicht Libyen. Es würde nicht implodieren, es würde explodieren und die ganze Region mitreißen“, sagte er in New York. Ban sprach von Verbrechen gegen die Menschlichkeit.
Die USA bemühten sich weiterhin um Lösungsansätze. US-Außenministerin Hillary Clinton traf sich am Freitag in Washington mit Annan. Bei der Zusammenkunft im State Department sollte die Suche nach Lösungen für den Konflikt im Mittelpunkt stehen. Annan bemängelte vor dem Treffen die Probleme bei der Umsetzung seines Friedensplanes und forderte „weiteren Druck“ auf Damaskus.
Clintons Syrien-Beauftragter Frederick Hof kam in Moskau mit dem russischen Nahost-Gesandten Michail Bogdanow und Vize-Außenminister Gennadi Gatilow zusammen. Über konkrete Ergebnisse teilte das russische Außenamt nichts mit.
In Syrien begannen UN-Beobachter mit ihren Untersuchungen des jüngsten Gewaltakts im Dorf Al-Kobeir in der Provinz Hama. Das 25-köpfige Team traf dort am Freitag ein, nachdem ein erster Versuch tags zuvor gescheitert war. In Al-Kobeir sollen am Mittwoch mehr als 80 Menschen getötet worden sein, darunter zahlreiche Frauen und Kinder. Nach Oppositionsangaben wurden sie mit Knüppeln erschlagen und mit Messern aufgeschlitzt. „Wir haben dort durch Artilleriebeschuss zerstörte Häuser gesehen, ebenso wie ausgebrannte Häuser, mit vielen verbrannten Leichen“, sagte UN-Sprecherin Sausan Ghosheh am Abend. Das Dorf sei „beinahe menschenleer“.
Die Rebellen hatten paramilitärische Einheiten von Präsident Assad dafür verantwortlich gemacht. Die syrische Regierung sprach hingegen von deutlich weniger Toten und bezichtigte Oppositionelle der Tat. Am 25. Mai waren bei einem Blutbad in Al-Hula mehr als 100 Menschen umgebracht worden.
Die Bundesregierung forderte Assad zum Rücktritt auf. Regierungssprecher Steffen Seibert sagte in Berlin: „Eine Führung, die solche Taten in ihrem Land zulässt, hat jegliche Legitimität verspielt. Es ist eigentlich undenkbar, eine politische Lösung, ein Ende des Konflikts mit Herrn Assad an der Spitze Syriens herzustellen.“ Er müsse jetzt den Weg freimachen „für einen Übergang in eine friedliche Transformationen in Syrien“. Bundeskanzlerin Angela Merkel nannte die Lage in Syrien „schrecklich“.
Bundesaußenminister Guido Westerwelle sprach sich für eine schnelle Verabschiedung von UN-Sanktionen gegen Damaskus aus. „Unsere bisherigen Anstrengungen reichen nicht“, sagte Westerwelle am Freitag in Beirut. Erforderlich seien jetzt neue „stärkere politische und diplomatische Maßnahmen“. „Wir erkennen alle, dass die Zeit nicht nur läuft, sondern rennt.“ Er appellierte erneut an die Veto-Macht Russland, Assads Regime nicht länger zu unterstützen. Der Friedensplan Annans müsse „weiter die Grundlage für eine politische Lösung sein“.
Annan sagte, dieser sei noch nicht gescheitert. „Ich glaube nicht, dass der Plan tot ist. Wir beraten, was wir tun können, damit der Plan lebt.“ Zudem gebe es kaum Alternativen. „Ansonsten bekommen wir einen umfassenden Bürgerkrieg.“
Annan hofft auf eine neue Kontaktgruppe einzelner Länder, die Einfluss auf Damaskus haben. „Die Frage ist einfach, wie wir die syrische Regierung dazu bekommen, den Friedensplan zu befolgen.“ Zu der Kontaktgruppe könnten die USA, China, Russland, Großbritannien und Frankreich aber auch regionale Mächte wie die Türkei, Saudi-Arabien und der Iran gehören.
Die EU-Kommission stellte am Freitag 23 Millionen Euro Soforthilfe für die notleidende Zivilbevölkerung in Syrien sowie für syrische Flüchtlinge im Libanon und Jordanien bereit. Nach Angaben der Behörde vom Freitag in Brüssel soll das Geld vor allem über bereits an Ort und Stelle tätige Hilfsorganisationen ausgegeben werden.