Familien-Trennung an US-Grenze Aufschrei über Trumps Umgang mit Migrantenkindern
Washington (dpa) - Was haben Hillary Clinton, Michelle Obama und Melania Trump gemeinsam? Alle sind oder waren First Ladys in den USA. Und alle haben im oft abgehobenen Politikbetrieb neben einem Herz für Kinder den Blick für die Realität bewahrt.
Wie auch die früheren First Ladys Rosalynn Carter und Laura Bush sprachen sie sich für ein Ende der als grausam empfundenen Politik Donald Trumps aus, Kinder von illegalen Einwanderern von ihren Eltern zu trennen und sie in Aufnahmelager zu stecken.
Trumps Null-Toleranz-Politik an der Grenze zu Mexiko, die in der Trennung von 2000 Kindern von ihren inhaftierten Eltern gipfelt, hat zu einem Aufschrei in den USA und in aller Welt geführt. Sogar der ansonsten unerschrockene deutsche AfD-Politiker Alexander Gauland fühlte sich bemüßigt, die Politik Trumps zu kritisieren. „Diese Praxis halten wir nicht für richtig“, sagte Gauland, wie Trump ein Rechtspopulist. Im Rest des politischen Spektrums herrscht ohnehin Kopfschütteln.
Die Informationen von der Südgrenze fließen spärlich. Vor einigen Tagen wurden einige US-Reporter kurz in ein ehemaliges Lagerhaus gelassen, wo Kinder und Jugendliche von illegalen Einwanderern festgehalten werden. Kinder sollen in käfigartigen Verschlägen festgehalten werden, sie schlafen auf Gummimatten.
Der Sender CNN veröffentlichte einen Mitschnitt, der das Weinen und Jammern von Kindern in einem Aufnahme-Camp dokumentieren soll. Selbst dem demokratischen US-Senator Jeff Merkley wurde nach eigenen Angaben der Zutritt zu einem Camp verwehrt. „Die Trump-Administration fügt Kindern Schaden zu, als Teil ihrer Strategie, andere von der Flucht in die USA abzuhalten“, sagte Merkley.
In den USA machen Prominente medial Front gegen die Regierung. Moderator Jimmy Kimmel, Talkmasterin Oprah Winfrey oder die Schauspielerin Jessica Chastain - alle bekundeten öffentlich Solidarität mit den Flüchtlingsfamilien. Der Sänger John Legend, seine Ehefrau und seine Tochter spendeten aus Protest gegen die Politik am 72. Geburtstag von Donald Trump jeweils 72.000 Dollar (etwa 62.000 Euro) für die Hilfsorganisation ACLU.
Das Kinderhilfswerk der Vereinten Nationen machte unmissverständlich klar: „Die Situation ist inakzeptabel.“ Man könne sein Grenzen schützen und gleichzeitig die Rechte von Kindern achten. „Geschichten von Kindern, einige noch Babys, die von ihren Eltern getrennt werden, die Zuflucht in den USA suchen, sind herzzerreißend“, sagte Unicef-Chefin Henrietta Fore.
Das Weiße Haus und Heimatschutzministerin Kirstjen Nielsen verteidigen die Praxis. Man habe sich für nichts zu entschuldigen, sagte Nielsen. Präsident Trump betonte: „Die USA werden nicht zu einem Flüchtlingslager werden.“ Er fügte hinzu: „Nicht unter meiner Verantwortung.“
Hinter der Migrationspolitik Trumps steckt politisches Kalkül. Noch immer wird die harte Linie an der Grenze von einer Mehrheit der Wähler der konservativen Republikaner toleriert. Zwar ist die Mehrheit der Amerikaner laut mehreren Umfragen dagegen. Doch große Teile der Wählerbasis Trumps applaudieren - noch.
Der Präsident versucht eine Argumentationsbrücke zu bauen und die Kinder als Opfer ihrer ruchlosen Eltern darzustellen - nicht als Opfer einer verfehlten Einwanderungspolitik der USA. 10.000 Kinder seien von ihren Eltern mit Fremden auf den Weg in die USA geschickt worden, schrieb Trump auf Twitter. Die Zahl hatte Heimatschutzministerin Nielsen bereits am Vortag genannt.
Für die schlechten Gesetze seien die Demokraten verantwortlich. „Die Demokraten sind das Problem“, twitterte Trump. Und übrigens: Was überbordende Migration anrichte, könne man ja in Deutschland sehen. Die Kriminalität in Deutschland sei um zehn Prozent gestiegen, seit die Flüchtlinge ins Land gelassen wurden - Trump wiederholte sein auf Twitter gemachtes Statement später bei einer Rede in Washington. Es wurde nicht richtiger - die Kriminalitätsrate in Deutschland ist auf dem niedrigsten Stand seit 25 Jahren.
Auch bei den Republikanern wächst die Erkenntnis, dass diese Linie nicht lange verfangen wird und bis zur wichtigen Parlamentswahl im Herbst zum politischen Bumerang werden könnte. Senatoren und Abgeordnete geraten deswegen in Eile, ein neues Gesetz durch die beiden Kammern zu bekommen. „Wir sind guter Dinge, dass wir die nötigen Stimmen bekommen“, sagte der republikanische Abgeordnete Bob Goodlatte, einer der Hauptinitiatoren der parlamentarischen Initiative. Er hofft auf die Stimmen der Demokraten, zumindest für einen Kompromissvorschlag, noch in dieser Woche.
Die Zahl der von den US-Behörden von ihren Eltern getrennten Kinder übersteigt inzwischen deutlich die Grenze von 2000. Beamte des Innenministeriums sprachen am Dienstag von rund 2300. Sie würden medizinisch und psychologisch von Fachleuten betreut und dürften nicht länger als 20 Tage festgehalten werden. Unabhängige Psychologen wiesen darauf hin, dass die Trennung von ihren Eltern gerade bei kleineren Kindern zu anhaltenden Traumata führen kann.
Hilfsorganisationen beklagten, den Kindern fehle die Zuwendung, auch weil das Personal in den Unterkünften sie nach US-Bestimmungen nicht intensiv betreuen dürfe. „Kinder nicht anzufassen ist furchtbar. Sie brauchen Zuwendung, sie müssen getröstet und in den Arm genommen werden“, sagte ein Unicef-Sprecher.
Von den Behörden veröffentlichte Bilder aus einem Lager sorgten für Entrüstung. Sie zeigen Kinder und Jugendliche in Zellen aus Maschendraht. US-Medien sprachen von Einschränkungen in der Berichterstattung durch die Behörden. So durften Journalisten selbst keine Kameras beim Besuch des Kinder-Aufnahmelagers mitnehmen, wie der Sender CBS berichtete.
Auch UN-Generalsekretär António Guterres mahnte einen respektvollen Umgang mit Flüchtlingen und Migranten an, ohne direkt auf die US-Politik einzugehen. „Kinder dürfen nicht durch Trennung von ihren Eltern traumatisiert werden. Die Familieneinheit muss gewahrt werden“, erklärte der UN-Chef am Montagabend über seinen Sprecher.