Aufständische: Nato tötete Revolutionäre in Libyen

Bengasi/Istanbul (dpa) - Die von der Nato geführte Allianz hat nach Angaben der libyschen Aufständischen versehentlich zwölf ihrer Kämpfer getötet und 40 verletzt.

Die Revolutionäre seien am Mittwoch bei einem Nato-Luftangriff in der westlichen Stadt Misrata ums Leben gekommen, sagte Schamseddin Abdulmola, ein Sprecher des Nationalen Übergangsrates in Bengasi, am Donnerstag. „Im Krieg passieren immer Fehler, das lässt sich nur schwer vermeiden“, fügte er hinzu.

Die Nato in Brüssel erklärte zu dem Vorfall, Flugzeuge des Bündnisses hätten südöstlich des Hafens von Misrata mehrere Kampffahrzeuge angegriffen. In dem Bereich hätten sich am Dienstag größere Verbände von Machthaber Muammar al-Gaddafi in Stellung gebracht. Berichte, nach denen es sich bei den Opfern um Rebellen handelte, könne die Nato nicht nachprüfen. „Wir bedauern jeden Verlust von Menschenleben.“

Der Übergangsrat hatte die US-Regierung, die inzwischen in Libyen auch Kampfdrohnen des Typs „Predator“ einsetzt, schon vor Wochen gebeten, auch Erdkampfflugzeuge des Typs A-10 zu schicken, die wegen ihrer präzisen Zielführung auch „fliegendes Maschinengewehr“ genannt werden. Abdulhafis Ghoga, der zweite Mann an der Spitze des Übergangsrates, hatte die Luftangriffe der Allianz am Mittwoch als nicht-ausreichend bezeichnet.

Der ehemalige US-Botschafter in Libyen, Gene Cretz, lobte am Mittwoch (Ortszeit) vor Journalisten in Washington den Übergangsrat. Er bezeichnete das Gremium als „ernsthafte Gruppierung, die unsere Unterstützung verdient“. Er schloss nicht aus, dass die USA den Rat möglicherweise demnächst als Vertreter des libyschen Volkes anerkennen werde. Die Strategie des Gaddafi-Regimes bezeichnete er als destruktiv: „Es hat sich herausgestellt, dass Gaddafi und seine Schergen nicht die Absicht haben, die Gewalt und das Blutvergießen zu beenden.“ Entgegen der Behauptungen der letzten Tage hätten die Truppen des Regimes in der Stadt Misrata und im westlichen Gebirgsmassiv weiter Gräueltaten verübt.

In Tripolis waren in der Nacht mehrere Explosionen zu hören. Ein Militärsprecher in der Hauptstadt sagte, die Nato habe zivile und militärische Ziele im östlichen Vorort Ain Sara und in Misdah, 140 Kilometer südlich von Tripolis, bombardiert. In Misdah wurde nach Nato-Angaben ein Munitionsbunker getroffen. Der Nachrichtensender Al-Dschasira meldete Kämpfe zwischen Aufständischen und Gaddafi-Loyalisten aus der südlichen Oasen-Stadt Kufra.

Der Sprecher des Übergangsrates in Bengasi erklärte weiter, das Rote Kreuz habe den ursprünglich für diesen Donnerstag geplanten Transport von fünf Gefangenen von Bengasi nach Tripolis auf den kommenden Samstag verschoben. Das für den Transport vorgesehene Flugzeug habe wegen schlechter Witterungsverhältnisse nicht starten können. Bei den Gefangenen handele es sich um Angehörige der Truppen von Gaddafi. Die Führung in Tripolis habe ihrerseits noch keinen einzigen Gefangenen aus den Reihen der Aufständischen freigelassen.

In Tripolis traf ein Team von UN-Ermittlern, das am Vortag angekommen war, mit weiteren Funktionären des Gaddafi-Regimes zusammen. Das Team soll einen Bericht über Menschenrechtsverletzungen in Libyen verfassen. Der Sekretär für auswärtige Angelegenheiten des libyschen Parlaments, Suleiman al-Schahumi, bezeichnete den Luftangriff auf ein von Gaddafi gelegentlich genutztes Gebäude auf dem Stützpunkt Bab al-Asisija als „Attentatsversuch“ und „groben Verstoß gegen die Menschenrechte“.