Ausfuhr genehmigt Ukraine erhält mehr als 100 Leopard-1-Panzer - Rheinmetall will erstmal bis zu 25 liefern

Kiew/Düsseldorf · Nach nicht einmal drei Wochen im Amt reist Verteidigungsminister Pistorius in die Ukraine. In Kiew trifft er Präsident Selenskyj - und wird begrüßt als der Mann mit den Panzern. Rheinmetall will etliche Leopard 1 liefern - doch das geht nicht sofort.

 Die Ukraine soll mehr als 100 Kampfpanzer des älteren Typs Leopard 1A5 erhalten.

Die Ukraine soll mehr als 100 Kampfpanzer des älteren Typs Leopard 1A5 erhalten.

Foto: dpa/Helmut Fohringer

Das Bundeswirtschaftsministerium hat die Ausfuhr von bis zu 178 Kampfpanzern des Typs Leopard 1A5 in die Ukraine genehmigt. Das teilten das Wirtschafts- und das Verteidigungsministerium am Dienstag in Berlin gemeinsam mit. „Wie viele Leopard 1A5 Kampfpanzer tatsächlich an die Ukraine geliefert werden, hängt von den erforderlichen Instandsetzungsarbeiten ab“, heißt es in der Erklärung weiter.

Das Düsseldorfer Rüstungsunternehmen Rheinmetall will noch in diesem Jahr die ersten 20 bis 25 Kampfpanzer vom Typ Leopard 1 in die Ukraine schicken. Bis Ende 2024 könnten dann die restlichen der 88 Exemplare ausgeliefert werden, über die Rheinmetall verfüge, sagte Vorstandschef Armin Papperger am Dienstag bei der Konferenz „Europe 2023“ in Berlin. Die Bundesregierung hatte der Industrie vergangene Woche den Export von Leopard-1-Kampfpanzern genehmigt. Neben Rheinmetall hat auch die Flensburger Fahrzeugbau Gesellschaft (FFG) Waffensysteme dieses Typs.

Der Leopard 1 ist der erste Kampfpanzer, der für die Bundeswehr nach dem Zweiten Weltkrieg gebaut wurde. Von 1965 bis Mitte der 80er Jahre wurden 4700 Exemplare produziert. Die Bundeswehr hat ihre letzten Leopard-1-Panzer bereits vor 20 Jahren ausgemustert.

Rheinmetall und die FFG müssen ihre Leopard 1 für den Export in die Ukraine nun zunächst instandsetzen. „Wenn wir im März entschieden hätten, dass diese Fahrzeuge alle ertüchtigt werden sollen, wäre es schneller gegangen“, sagte Papperger. „Aber das ist nicht passiert. Deswegen müssen wir jetzt mit dem leben, wie es jetzt ist. Ich denke mal, das hilft der Ukraine immer noch sehr.“

In der ukrainischen Hauptstadt kommt Boris Pistorius der Waffenhilfe für die Ukraine plötzlich ganz nah: Bei einem Heizkraftwerk steht - sorgsam getarnt und gefechtsbereit - einer der Flugabwehrkanonenpanzer Gepard aus Deutschland. Die Besatzung verhindert, dass zivile Infrastruktur von Russland aus zerschossen wird. Mehrere Raketen und Drohnen wurden hier abgefangen. Am Dienstag bedeckt Schnee das Land und die alten Industrieanlagen. Ein improvisierter Ofen der Soldaten verqualmt die Luft. Der Panzer wird gerade nicht gebraucht. Bei Alarm jedoch kann er ganz schnell wieder in Position fahren und die Zwillingskanone gen Himmel richten.

Es sei großartig, wie die ukrainischen Soldaten das Gerät in so kurzer Zeit erfolgreich bedienten und was die Militärhilfe bewirke, sagt Pistorius. Und auch dies geht dem SPD-Politiker neben dem Panzer durch den Kopf: „Mir wird vor allem klar, wie stolz wir sein können - auch als Deutschland. Was wir hier leisten. Deutschland ist nach den USA zusammen mit Großbritannien der größte Unterstützer der Ukraine.“ Dass immer wieder der Eindruck erweckt wird, Deutschland mache weniger als andere oder jedenfalls nicht genug, nervt ihn.

In Kiew trifft Pistorius Präsident Wolodymyr Selenskyj und Verteidigungsminister Olexij Resnikow. Kollege Resnikow bezeichnet ihn als „Freund der Ukraine“. „Als Boris den Ministerposten besetzte, wurde die Panzerkoalition geboren“, sagt Resnikow bei der Verleihung von Orden an seine Soldaten. Pistorius hat dazu eine Ankündigung im Gepäck: Nach der Entscheidung zur Lieferung von Leopard-2-Kampfpanzern wollen europäische Staaten auch Leopard 1 für insgesamt drei Bataillone zur Verfügung stellen - insgesamt mehr als 100 Panzer.

Politisch ist die Reise eine Art Feuertaufe, bei der sich der neue Minister dem politischen Hauptthema seiner Amtszeit und den zentralen Akteuren in Kiew so nah wie möglich nähert. Und auch ein Signal. Die erste große Auslandsreise von Pistorius führt in das von Russland angegriffene Land, das sich nun fast schon ein Jahr zur Wehr setzt.

Pistorius nimmt dabei die ganze Lieferkette für die westlichen Waffensysteme in Augenschein. Er reist übers polnische Rzeszow an und besucht dort schon am Montag den zentralen Umschlagplatz für die Rüstungslieferungen. Das „Camp Nachtigall“ am Rande des zivilen Flughafens ist schwer geschützt und von Patriot-Stellungen umgeben. Die Flugabwehrraketen sind gegen mögliche Raketenangriffe in Position. Auf dem Gelände wurden Bunkeranlagen gebaut. Über Lautsprecher kann Alarm ausgelöst werden.

Ohne Verteidigungsminister ist die Anlage schwer zugänglich. Denn die westlichen Partner der Ukraine nutzen das Camp als Drehkreuz für Militärfahrzeuge und Waffensysteme. Sie werden dort für den Weitertransport zusammengeführt und gecheckt. Auch zivile Vertragspartner aus aller Herren Länder sind dort beschäftigt. Sie schrauben an der Technik und verwalten Lagerbestände mit Ersatzteilen.

Gepanzerte Lastwagen aus US-Produktion und Geländewagen Humvee stehen gerade in größeren Stückzahlen bereit. Auch eine ältere Panzerhaubitze aus dem Baltikum wird noch einsatzbereit gemacht. Militärgerät steht in Reih und Glied, teils in Flecktarn oder noch bräunlich-sandfarben lackiert, wie von den US-Streitkräfte im Irak genutzt. Motoren brummeln vor sich hin. Hier und da tropft Öl. Einige Fahrzeuge habe platte Reifen.

Auch deutsche Soldaten nutzen das Camp. Sie halten über den verschlüsselten Messengerdienstr Signal Kontakt zu Ukrainern an der Front, um Ferndiagnosen und Reparaturhilfe zu ermöglichen. Gibt es Technikprobleme, wird aus Deutschland ein Fachmann dazu geschaltet. „Das ist effektiv, aber auch banal“, sagt ein Soldat. Inzwischen gibt es Gruppen für alle großen deutschen Waffensysteme. Mit dem Leopard 2, dem Schützenpanzer Marder und dem Flugabwehrsystem Patriot sind die nächsten Waffen schon in der Lieferkette.

In Kiew trifft Pistorius dann auch die ukrainischen Soldaten, die nach Deutschland abreisen, um am Leopard ausgebildet zu werden. Es ist ein emotionaler Moment. Viele der Männer kommen gerade von der Front, einige aus den erbitterten Kämpfen um die Stadt Bachmut im Osten des Landes, die heute nicht einmal mehr 8000 Einwohner zählt. Schmerz und Entschlossenheit stehen einigen noch ins Gesicht geschrieben. Das merkt auch Pistorius und spricht es an.

„Die Menschen in der Ukraine erteilen der Welt eine Lektion in Sachen Mut und Wehrhaftigkeit. Wir alle blicken mit Demut und Respekt auf ihre Leistungen“, sagt der Minister aus Berlin. In Deutschland warteten Kameradinnen und Kameraden, die sie bestmöglich vorbereiten wollten. „Dieser kaltblütig entfachte Krieg, dieser Eroberungsdrang und Vernichtungswille Russlands schockieren uns.“ Die Aufgabe der Soldaten, sich dem entgegenzustellen, beeindrucke ihn tief.

(dpa)