Berlin fordert US-Zugeständnisse vor Handelsgesprächen

Berlin (dpa) - Vor Beginn der Verhandlungen über ein EU-Freihandelsabkommen mit den USA fordert die deutsche Politik parteiübergreifend Zugeständnisse der Amerikaner beim Datenschutz.

SPD-Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier sagte der Deutschen Presse-Agentur, er erwarte von den USA „vor Aufnahme der Verhandlungen klare und belastbare Zusicherungen, dass es zu keinen neuen Ausspähaktionen kommt“. CDU und FDP forderten die USA auf, eine bessere Einhaltung des Datenschutzes zuzusichern. Die Gespräche über ein Freihandelsabkommen sollen am Montag in Washington beginnen.

Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) hält strafrechtliche Konsequenzen des US-Ausspähskandals für möglich - etwa wegen geheimdienstlicher Agententätigkeit. „Es wäre komplett falsch, strafrechtliche Ermittlungen von vornherein auszuschließen“, sagte sie der „Süddeutschen Zeitung“. Sie plädierte für ein Ende der „Datensammelwut“. Es sei falsch zu glauben, man sei umso besser gegen Terrorgefahren gewappnet, je mehr Daten man habe.

Leutheusser-Schnarrenberger fordert eine umfassende Aufklärung der Affäre. Noch vor Beginn der Verhandlungen über das transatlantische Freihandelsabkommen zwischen EU und USA müsse geklärt werden, ob die Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse hinreichend geschützt seien. „Alle Wanzen müssen auf den Tisch.“ Der US-Geheimdienst NSA soll mit seinem Ausspähprogramm „Prism“ in großem Stil Kommunikation per E-Mail und Telefon überwacht haben - auch in Deutschland.

Der Grünen-Spitzenkandidat Jürgen Trittin warnte vor einem auf Spionage beruhendem Freihandelsabkommen mit den USA. Ein vernünftig ausgehandeltes Abkommen könne ein Gewinn sein, sagte Trittin am Samstag auf einem kleinen Parteitag der Grünen in Berlin. Er könne sich aber nicht vorstellen, „ein Freihandelsabkommen zu haben, was darauf beruht, dass der eine den anderen ungehemmt ausspioniert“. Kanzlerin Angela Merkel (CDU) müsse ein Abkommen an die Bedingung knüpfen, dass die Ausspähaktionen beendet werden.

Auch Unionsfraktionschef Volker Kauder kann sich keine Freihandelszone vorstellen, in der Teilnehmerstaaten die Wirtschaft der Partner ausspionieren. „Das müsste auch in einem solchen Abkommen am Ende fixiert werden“, sagte der CDU-Politiker der „Rheinischen Post“.

Entwicklungsminister Dirk Niebel (FDP) sprach sich dafür aus, die Übertragung sensibler Daten wie Flug- oder Bankdaten vorläufig auszusetzen. „Zuvor muss erst alles aufgeklärt werden„, sagte der Entwicklungsminister dem „Schwarzwälder Boten“. Das Vertrauen zu den USA sei gestört und müsse erst wieder belebt werden.

Der Datenschutzbeauftragte Peter Schaar geht davon aus, dass auch Bundesbehörden Informationen über die Aktivitäten des US-Dienstes NSA hatten. Er glaube, dass der deutschen Verwaltung und den Bundesbehörden „durchaus sehr viele entsprechende Informationen vorliegen“, sagte Schaar dem SWR. Die Bundesregierung dürfe nicht hinnehmen, wenn die britische und die amerikanische Regierung keine Auskunft über die Geheimdienst-Aktivitäten geben wollten. Nach Angaben der Bundesregierung haben die USA bisher keine erhellenden Informationen geliefert.

Außenminister Guido Westerwelle (FDP) warnte vor Verzögerungen beim geplanten Handelsabkommen. Die angestrebte Vereinbarung sei „ein wichtiges Instrument, um auf beiden Seiten des Atlantiks mehr Wachstum, Arbeitsplätze und Wohlstand zu schaffen. Dieses Ziel dürfen wir wegen der Abhöraffäre nicht gefährden“, sagte Westerwelle der „Bild am Sonntag“.

Im Zuge der Datenschutz-Debatte ist auch der Streit innerhalb der Koalition um die Vorratsdatenspeicherung wieder aufgeflammt. SPD-Parteichef Sigmar Gabriel warf der CDU in diesem Zusammenhang Unglaubwürdigkeit vor. „Die Union sagt jetzt "Mindestspeicherfristen" statt "Vorratsdatenspeicherung", meint aber das Gleiche“, sagte er der „Passauer Neuen Presse“. Bei den Vorratsdaten handelt es sich um die anlasslose Speicherung von Telefon- und Internetverbindungsdaten zu Fahndungszwecken.