Berlusconi in Abhör-Prozess zu Haftstrafe verurteilt
Mailand (dpa) - Der frühere italienische Regierungschef Silvio Berlusconi ist in einem Prozess um die Veröffentlichung vertraulicher Telefongespräche zu einer einjährigen Haftstrafe verurteilt worden.
Das Urteil eines Mailänder Gerichts trifft die Leitfigur des Mitte-Rechts-Bündnisses mitten im politischen Poker um die Bildung einer neuen italienischen Regierung.
Ins Gefängnis muss Berlusconi vorerst nicht, wenn er Berufung einlegt, was seine Anwälte offensichtlich bereits vorbereiten. Das Urteil kurz nach der Parlamentswahl trifft Berlusconi jedoch in einer politisch heiklen Zeit. Außerdem stehen im März noch zwei Urteile in Mailänder Berlusconi-Prozessen an, so im „Bunga-Bunga“-Verfahren.
Berlusconi war der Beihilfe zur Veröffentlichung von Telefongesprächen angeklagt, mit denen im Jahr 2005 ein politischer Gegner der Konservativen geschädigt wurde. Sein Bruder Paolo Berlusconi wurde wegen der Veröffentlichungen in seiner Zeitung „Il Giornale“ zu zwei Jahren und drei Monaten Haft verurteilt.
In dem offensichtlich von Ermittlern abgehörten und dann illegal veröffentlichten Gespräch soll der Linkspolitiker Piero Fassino den früheren Unipol-Chef Giovanni Consorte zu einer Bankenübernahme ermutigt haben. Die Versicherungsgesellschaft Unipol steht der Mitte-Links-Partei PD (Demokratische Partei) nahe, die stärkster Gegner Berlusconis war. Consorte wurde wegen Insiderhandels in dem Übernahmeverfahren verurteilt. „Es ist wirklich unmöglich, eine solche juristische Verfolgung, die es seit 20 Jahren gibt, zu tolerieren“, kritisierte Berlusconi. Sie werde auch immer dann neu belebt, „wenn es in dem politischen Leben des Landes besonders komplexe Momente gibt“.
Berlusconi hat eine große Koalition mit dem siegreichen linken Bündnis Pier Luigi Bersanis ins Spiel gebracht, um das Patt im Parlament zu überwinden. Bersani lehnt dies aber ab; er hatte versucht, die bei den Wahlen äußerst erfolgreiche populistische Protestbewegung des Komikers Beppe Grillo auf seine Seite zu ziehen, was nicht gelang.
Berlusconi hatte ausgesagt, niemals das besagte Telefongespräch mitgehört zu haben. Sein Anwalt Pietro Longo nannte das Urteil das jüngste Beispiel der Feindseligkeit der Mailänder Justiz seinem Mandanten gegenüber: „Ich bin nicht überrascht, wir sind in Mailand.“. Berlusconi hat immer wieder beklagt, linke Richter und Staatsanwälte wollten ihn politisch kaltstellen. Erst das weitab von Mailand gelegene Kassationsgericht werde den Fall richtig beurteilen, sagte sein Anwalt Niccolò Ghedini.
Für Berlusconi war es die zweite Verurteilung in erster Instanz in einem Gerichtsverfahren innerhalb weniger Monate. Zu den noch laufenden Verfahren gegen den umstrittenen Mailänder Medienzar und Milliardär gehört vor allem noch das spektakuläre „Ruby“-Verfahren um Sex mit minderjährigen Prostituierten und Amtsmissbrauch. In dem Prozess wird das Urteil in erster Instanz noch im März erwartet.
In Italien wird ein Urteil nach drei Instanzen rechtskräftig, sofern der Verurteilte in die beiden möglichen Berufungsverfahren geht.