Wegen Korruption Brasiliens Ex-Staatschef Lula zu neun Jahren Haft verurteilt
Curitiba (dpa) - Von der Lichtgestalt zum gemeinen Kriminellen: Brasiliens ehemaliger Präsident Luiz Inácio Lula da Silva steht nach seiner Verurteilung wegen Korruption vor einem Scherbenhaufen.
Zuletzt hatte der frühere Staatschef (2003-2010) noch angekündigt, bei der Präsidentenwahl im kommenden Jahr erneut anzutreten. Jetzt droht dem 71-Jährigen Gefängnis. Auf eine Kandidatur muss er aber vorerst nicht verzichten.
Der gigantische Korruptionsskandal „Lava Jato“ (Autowäsche), in den fast die gesamte politische Elite Brasiliens verwickelt ist, hat nun auch den so charismatischen Lula eingeholt. Der Baukonzern OAS soll ein Apartment in Guarujá an der Atlantikküste aufwendig für den Ex-Präsidenten renoviert haben. Als Gegenleistung soll Lula der Baufirma Aufträge des halbstaatlichen Ölkonzerns Petrobras verschafft haben. Dafür wurde er nun zu einer Freiheitsstrafe von neun Jahren und sechs Monaten verurteilt.
Mithilfe sprudelnder Gewinne aus dem Ölgeschäft hatte Lula Brasilien zu einem Global Player geformt. Die größte Volkswirtschaft Lateinamerikas mischte unter ihm in der G20-Gruppe der wichtigsten Industrieländer und den BRICS-Staaten der aufstrebenden Schwellenländer mit. Über Sozialprogramme und dank des Wirtschaftsbooms holte Lula Millionen Brasilianer aus der bittersten Armut.
„Er ist der beliebteste Politiker der Welt“, sagte US-Präsident Barack Obama 2009 über seinen Amtskollegen. Vor allem bei den ärmeren Bevölkerungsschichten ist der frühere Schuhputzer und Metallarbeiter noch immer sehr beliebt. Bislang gilt Lula als der aussichtsreichste Kandidat bei der Präsidentenwahl im kommenden Jahr. Eine Umfrage von Ende Juni sah ihn bei 30 Prozent, weit vor allen Konkurrenten.
Das Urteil von Curitiba dürfte sein Image vom einfachen Mann aus dem Volk ankratzen. Nach Einschätzung der Ermittler hielt der einstige Heilsbringer genauso die Hand auf wie Dutzende anderer Politiker in Brasilien. Gegen den ehemaligen Staatschef laufen noch vier weitere Gerichtsverfahren wegen mutmaßlicher Korruption.
Der Ausgang der Korruptionsaffäre um Lula ist aber - wie vieles in Brasilien - ungewiss. Zunächst bleibt er auf freiem Fuß, bis das Urteil vom zuständigen Berufungstribunal in Porto Alegre bestätigt oder revidiert wird. Richter Sérgio Moro verzichtete in seinem Urteil auf eine unmittelbare Inhaftierung des Ex-Präsidenten, um „traumatische“ Folgen zu vermeiden.
Die Klärung durch die Berufungsinstanz nimmt üblicherweise rund eineinhalb Jahre in Anspruch. Ohne Bestätigung des Urteils kann Lula nicht daran gehindert werden, bei der Präsidentenwahl im Oktober 2018 zu kandidieren. Im Fall eines Wahlsieges würde er als Staatsoberhaupt Immunität genießen.
Lula sieht sich als Opfer einer Verschwörung. „Sie können nicht verzeihen, dass ein Arbeiter an die Macht gekommen ist“, sagte er bei einem Auftritt vor Anhängern im vergangenen Jahr in São Paulo. Drahtzieher der „politischen Rache“ ist seiner Darstellung nach der amtierende Präsident Michel Temer, der Lulas Vertraute und Nachfolgerin Dilma Rousseff mittels einer parlamentarischen Amtsenthebung stürzte. Temer selbst könnte jedoch ebenfalls abgesetzt werden, wenn die Abgeordnetenkammer in den nächsten Wochen einen Prozess gegen ihn wegen mutmaßlicher Korruption genehmigt.
Angesichts der Vorwürfe gegen Lula wandten sich auch ehemalige Weggefährten von ihm ab. „Lula hat sich und die brasilianische Gesellschaft korrumpiert“, sagte schon 2015 der Mitgründer von Lulas Arbeiterpartei PT, Hélio Bicudo. „Die PT ist zu einer Partei für die Interessen einiger Leute geworden, die nach der Macht streben.“ Rousseff und andere verteidigen ihn dagegen weiterhin bedingungslos. Nach der Urteilsverkündung sagte die Ex-Präsidentin: „Lula ist unschuldig, das brasilianische Volk wird ihn 2018 demokratisch retten.“