Weiter keine Fortschritte Brexit: EU will Zugeständnisse aus London binnen zwei Wochen
Brüssel (dpa) - Die Europäische Union macht Druck beim Brexit. Nach einer weiteren Verhandlungsrunde ohne Durchbruch setzte Unterhändler Michel Barnier der britischen Regierung am Freitag eine Frist von zwei Wochen für Zugeständnisse.
Premierministerin Theresa May stellte ihrerseits klar, dass der EU-Ausstieg unwiderruflich am 29. März 2019 kommen soll. Der deutschen Wirtschaft macht der Konflikt zunehmend Sorgen. Für Deutschland hängt von einer Einigung auch finanziell viel ab, denn der Brexit könnte Berlin jährlich Milliarden kosten.
Donnerstag und Freitag hatten Barnier und seine Experten bereits zum sechsten Mal mit Brexit-Minister David Davis und der britischen Delegation über den EU-Austritt verhandelt. Doch auch nach dieser Runde stellte Barnier fest, es gebe noch keinen „ausreichenden Fortschritt“ bei den drei wichtigsten Forderungen der EU. Wenn es dabei binnen 14 Tagen keine Grundsatzeinigung gebe, werde man im Dezember nicht wie geplant mit den Gesprächen über die künftigen Beziehungen zu Großbritannien beginnen können, stellte Barnier klar.
Die EU will drei Themen unbedingt zuerst klären: die britischen Finanzverpflichtungen nach mehr als 40 Jahren EU-Mitgliedschaft, den künftigen Status der nordirisch-irischen Grenze sowie Garantien für Millionen EU-Bürger in Großbritannien. Als besonders heikel gilt die Abschlussrechnung: London soll einen hohen zwei- oder gar einen dreistelligen Milliardenbetrag zahlen.
Erst wenn die EU bei allen drei Fragen „ausreichenden Fortschritt“ feststellt, will sie über ein Handelsabkommen und die künftige Zusammenarbeit in anderen Fragen wie Sicherheit verhandeln. Eigentlich sollte es schon im Oktober soweit sein, doch der EU-Gipfel vertagte die Entscheidung auf Mitte Dezember.
Nun deutete Barnier an, dass ohne Durchbruch bis Ende November auch dieser Termin wackelt. Für ein Austrittsabkommen würde damit die Zeit sehr knapp. Ohne Verständigung scheidet das Vereinigte Königreich 2019 ungeregelt aus der EU aus - mit potenziell schwerwiegenden Folgen vor allem für die Wirtschaft.
Der Bundesverband der Deutschen Industrie sieht wegen der schleppenden Verhandlungen die Gefahr eines „sehr harten Brexits“. BDI-Hauptgeschäftsführer Joachim Lang sagte der Deutschen Presse-Agentur, es sei bedauerlich, dass es noch keinen ausreichenden Fortschritt gebe. „Wir haben schon jetzt zu viel Zeit verloren“. Klar sei aber auch: „Ohne konkrete Aussagen zu den finanziellen Verpflichtungen werden wir nicht vorankommen.“
In London machte Regierungschefin May aber klar, dass der Austritt in jedem Fall wie vorgesehen kommen soll. Sie kündigte auf Facebook an, das vorgesehene Austrittsdatum 29. März 2019, 23.00 Uhr gesetzlich festzuschreiben. Offenbar will May pro-europäische Abweichler in der eigenen Partei auf Linie bringen, die der Regierung ein Vetorecht des Parlaments in Sachen Brexit-Abkommen abringen wollen. Brexit-Befürworter fürchten, dass dies den EU-Austritt im letzten Moment verhindern oder verzögern könnte.
Falls Großbritannien ohne Abkommen ausscheiden sollte, bliebe die EU wohl auf ihrer Austrittsrechnung sitzen. Ohnehin fehlen der EU künftig im Haushalt die bisher rund zehn Milliarden Euro Nettobeitrag aus London. Müsste die Lücke nach bisherigen Regeln und Rahmenbedingungen gestopft werden, käme nach einer Studie für das Europaparlament auf Deutschland eine Mehrbelastung von 3,8 Milliarden Euro pro Jahr zu, eine Steigerung um 16 Prozent. Die konkrete Zahl ist allerdings vorerst nur theoretisch. Denn der EU-Finanzrahmen für die Zeit nach 2020 wird neu ausgehandelt.