Brexit-Gegner gewinnen an Boden

London (dpa) - In Großbritannien haben die Gegner eines EU-Austritts nach mehreren Umfragen wieder an Boden gutgemacht. Einer Befragung im Auftrag der „Mail on Sunday“ zufolge gaben 45 Prozent der Befragten an, sie würden für einen Verbleib ihres Landes in der EU stimmen.

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Nur 42 Prozent befürworteten demnach einen Brexit, also einen EU-Austritt. Die telefonische Umfrage wurde am Freitag und Samstag durchgeführt.

Noch am Donnerstag hatte eine Umfrage desselben Instituts die Brexit-Befürworter im gleichen Verhältnis vorne gesehen. Ob das veränderte Ergebnis mit der Berichterstattung über den Mord an der Labour-Abgeordneten Jo Cox am Donnerstag zusammenhängt, ist aber fraglich.

Zwei am Sonntag veröffentlichte Umfragen des Instituts YouGov verzeichneten bereits für Mitte vergangener Woche einen Umschwung zugunsten der Brexit-Gegner. Demnach verkürzten die Brexit-Gegner in einer Umfrage von Mittwoch und Donnerstag ihren Rückstand von vier auf zwei Prozentpunkte. Eine weitere YouGov-Umfrage am Donnerstag und Freitag ergab eine knappe Führung von 44 Prozent für die Brexit-Gegner; 43 Prozent wollen dagegen die EU verlassen.

Die Analysten von YouGov gehen davon aus, dass der Umschwung nicht primär mit dem Mord an Cox in Verbindung steht. Sie führen den Sinneswandel eher auf Ängste vor den wirtschaftlichen Folgen nach einem EU-Austritt zurück.

Noch deutlicher fiel das Ergebnis einer Umfrage des Instituts BMG im Auftrag des „Herald“ aus. Demnach kamen Brexit-Gegner auf 46 Prozent und die Austrittswilligen auf 43 Prozent. Auch diese Umfrage wurde vor dem Mord an Cox durchgeführt.

Nach der Ermordung der Abgeordneten Cox haben die britischen Spitzenpolitiker derweil den Brexit-Wahlkampf wieder aufgenommen.

Der mutmaßliche Attentäter Thomas M. erschien am Samstag erstmals in London vor Gericht - und sorgte mit bizarren Aussagen für Aufsehen. Auf die Frage nach seinem Namen sagte der Angeklagte: „Tod den Verrätern, Freiheit für Großbritannien“. Die Richterin plädierte darauf für ein psychiatrisches Gutachten. Die ermordete Labour-Politikerin hatte sich für Flüchtlinge und gegen einen Austritt Großbritanniens aus der EU eingesetzt.

Mit Spannung wird erwartet, ob die Wortführer beider Lager ihren Ton im Wahlkampf mäßigen - Kritiker hatten moniert, die Debatte sei zuletzt immer giftiger geführt worden. Sowohl Cameron als auch Labour-Oppositionschef Jeremy Corbyn plädierten nach dem Attentat dafür, Hass und Intoleranz in der Politik zu überwinden.

Am Donnerstag, den 23. Juni, müssen die Briten in einem historischen Referendum entscheiden, ob sie in der EU bleiben oder austreten wollen. Der Ausgang des Votums gilt als völlig offen. Vor dem Attentat hatten Umfragen einen Trend für den Brexit ausgemacht - völlig unklar ist, ob die Ermordung der Pro-EU-Politikerin Cox die Stimmungslage im Land verändern könnte.

Einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Emnid im Auftrag von „Bild am Sonntag“ würden es 58 Prozent der Deutschen bedauern, wenn die Briten austräten. 30 Prozent wäre das egal und nur 7 Prozent würden einen Brexit begrüßen.

Cameron machte klar, dass auch am Falle eines Brexit nicht zurücktreten wolle. „Ich mache einfach weiter mit dem Job“, sagte er dem „Times Magazine“. Er habe ein klares Mandat der Wähler. „Es wird kein Urteil über mich sein, wie auch immer der Ausgang ist.“

Unterdessen warnte der Internationale Währungsfonds IWF erneut vor einem Austritt. Im Fall eines Brexit könnte die britische Wirtschaftleistung langfristig um bis zu 4,5 Prozentpunkte niedriger liegen als bei einem Verbleib in der EU. Für 2017 sehen die Szenarien in einem IWF-Bericht sogar einen Rückgang der Wirtschaftleistung vor, sollten die Briten austreten. Auch die Londoner Zeitung „The Times“ plädierte in ihrer Samstagsausgabe für „Drinbleiben“.

Anton Börner, Präsident des Bundesverband Großhandel, Außenhandel, Dienstleistungen (BGA), warnte vor massiven wirtschaftlichen Schäden auch für Deutschland, wenn Großbritannien die EU verlassen sollte. „Deutschland wird der große Verlierer sein. Mittelfristig verlieren wir mit Großbritannien den wichtigsten Verbündeten für Freihandel und eine vernünftige Wirtschaftspolitik in Europa“, sagte er der „Bild am Sonntag“. Nach dem Brexit werde die EU-Wirtschaftspolitik von den Südländern dominiert. Darunter werde die deutsche Wirtschaft leiden. „Uns drohen massive Wohlstandverluste in der Zukunft“, fürchtet Börner.