Gerichtsurteil Britisches Parlament muss Brexit-Verhandlungen zustimmen
London (dpa) - Die britische Premierministerin Theresa May muss die Zustimmung des Parlaments in London für die geplanten EU-Austrittsverhandlungen mit Brüssel einholen. Das entschied der Londoner High Court.
Die Regierung in London zeigte sich „enttäuscht“ über das Urteil des Hohen Gerichts und kündigte an, in die nächste Instanz zu gehen. Damit muss nun der britische Supreme Court, das höchste Gericht des Landes, endgültig über den Streit entscheiden.
Am 23. Juni hatten die Briten in einer historischen Abstimmung für einen Austritt ihres Landes aus der EU gestimmt. Die Verhandlungen mit der EU darüber sollten spätestens Ende März 2017 beginnen.
Sollte die Entscheidung der Richter vor dem Supreme Court Bestand haben, könnte sich der Beginn der Brexit-Verhandlungen zwischen London und der EU weiter verzögern. Eine Regierungssprecherin sagte jedoch am Donnerstag, man habe „nicht vor, sich davon vom Zeitplan abbringen“ zu lassen. Für Montag kündigte die britische Regierung eine Erklärung vor dem Parlament an.
An diesem Freitag wird May bei einem Telefongespräch mit EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker über das weitere Brexit-Verfahren sprechen. Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD), der am selben Tag seinen britischen Amtskollegen Boris Johnson zum Antrittsbesuch in Berlin empfängt, warnte vor Verzögerungen bei der Umsetzung des Brexit-Referendums: „Ich denke, wir dürfen erwarten, dass das Anfang des Jahres stattfindet. Dann müssen die Verhandlungen zügig aufgenommen werden.“
May hatte eine Abstimmung im Parlament in London über den Beginn der Austrittsverhandlungen gemäß Artikel 50 des Lissabon-Vertrags bislang ausgeschlossen. Das sei „ausschließlich Sache der Regierung“. Das Parlament werde aber „zu Wort kommen“, hatte sie angekündigt.
Sollte das Urteil bestätigt werden, könnte es dem Parlament einen mächtigen Hebel in die Hand geben, um die Verhandlungsstrategie der Regierung über den EU-Austritt zu beeinflussen. Brexit-Befürworter befürchten gar, der Ausstieg des Landes aus der Europäischen Union könne ganz vereitelt werden.
Die Mehrheit der Abgeordneten in beiden Kammern gilt als Brexit-Gegner. Der Chef der EU-kritischen Ukip-Partei ließ per Kurznachrichtendienst Twitter wissen, er fürchte, nun werde alles unternommen, um den Beginn der Verhandlungen zu verzögern und zu blockieren. Er drohte mit „öffentlichem Zorn“.
Als Klägerin vor dem High Court trat unter anderem die Investmentmanagerin Gina Miller auf. Sie hatte argumentiert, das Parlament dürfe bei einer so weitreichenden Entscheidung wie dem Austritt aus der EU nicht umgangen werden. Nach dem Urteil zeigte sie sich zufrieden und forderte eine „ordentliche Debatte in unserem souveränen Parlament“.
Auch Schottlands Regierungschefin Nicola Sturgeon zeigte sich erfreut. „Wirklich bedeutungsvoll!“, schrieb sie auf Twitter mit einem Hinweis auf Nachrichten über das Urteil. Die Wähler in Schottland hatten sich mehrheitlich gegen einen Brexit ausgesprochen.
Labour-Chef Jeremy Corbyn teilte mit, seine Partei respektiere „die Entscheidung des britischen Volkes, die Europäische Union zu verlassen“, forderte aber „Transparenz und Rechenschaft“ gegenüber dem Parlament über die Konditionen eines Brexits.
Auch aus Mays Fraktion fordern viele Abgeordnete eine Mitsprache über die Verhandlungsstrategie der Regierung. Das lehnte May bislang mit dem Argument ab, eine öffentliche Parlamentsdebatte über die Brexit-Strategie der Regierung schade deren Verhandlungsposition. Es werde „keine laufenden Kommentare“ zum Prozess der Brexit-Verhandlungen geben.