Bundespräsident Gauck in Griechenland: Schatten der Vergangenheit

Joachim Gauck sieht sich in Griechenland mit Reparationswünschenkonfrontiert.

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Athen. Es wird frostig im Präsidentenpalast. Da stehen die zwei älteren Herren, Karolos Papoulias, 84 Jahre alt, und Joachim Gauck, 74, zwischen großen Marmorsäulen und auf edlem Teppich, als das griechische Staatsoberhaupt plötzlich mit mürrischem Blick deutliche Worte an den deutschen Bundespräsidenten richtet: Er habe die Frage der Reparationen vorgetragen, betont Papoulias mit Nachdruck. „Griechenland hat diese Forderung nie aufgegeben.“ Und sie müsse „so schnell wie es geht“ eingelöst werden.

Die Vergangenheit holt Gauck rascher ein als gedacht. Er hat sich gut vorbereitet auf den kniffligen Staatsbesuch. Auf der einen Seite ist die Visite so kompliziert, weil Gauck zusammen mit Papoulias am Freitag im Bergdorf Lingiades ein Zeichen der Versöhnung setzen und um Vergebung bitten will.

Die Wehrmacht richtete dort 1943 ein Massaker an, Papoulias war damals Widerstandskämpfer. Für Gauck ist das ein emotional extrem schwieriger Gang. Auf der anderen Seite haben viele Hellenen die Politik der Bundesregierng wegen ihres rigiden Sparkurses in der Eurokrise verflucht. Die Arbeitslosigkeit liegt in Griechenland bei 28 Prozent, ganze Viertel Athens sind verarmt.

Als Gauck vom Flughafen in die Stadt fährt, kann er links und rechts der Autobahn erkennen, wie miserabel es dem Land geht: Riesige Werbetafeln säumen seinen Weg, aber alle sind marode. Proteste gegen den Deutschen gibt es nicht. Gaucks Vorteil: die meisten Griechen kennen ihn gar nicht.

Dafür gibt es genug zu besprechen bei dem dreitägigen Besuch, und Gauck signalisiert seinem Amtskollegen, die Deutschen seien in Solidarität verbunden, „egal, welche Schlagzeilen es gibt“. Doch dass sein Gegenüber ausgerechnet die Frage der Reparationen in den Vordergrund rückt, was mit den Befindlichkeiten der verschiedenen griechischen Parteien vor der Europawahl im Mai zu tun hat, überrascht Gauck dann doch.

24 Stunden zuvor hat seine Reise noch eine gewisse Leichtigkeit gehabt. Da ist er Hand in Hand mit Lebensgefährtin Daniela Schadt über die Akropolis spaziert, dem Sonnenuntergang entgegen. „Wunderschön“, schwärmt der Präsident, der zuvor noch nie in Griechenland gewesen ist, aber in der Schule Altgriechisch lernte.

Im Präsidentenpalast ist diese Leichtigkeit verflogen. Er muss auf Papoulias reagieren. Eigentlich wollte er erst dem extrem linken Oppositionsführer Alexis Tsirpas, einem der Wortführer bei diesem heiklen Thema, klar machen, was er von Reparationen wegen der brutalen deutschen Besatzung zwischen 1941 und 1944 hält.

Immerhin stehen Forderungen von 162 Milliarden Euro im Raum. Nun sagt er es zuerst Papoulias: Der Rechtsweg sei abgeschlossen, und „ich werde mich nicht anders äußern als meine Regierung“. Die Bundesregierung lehnt Zahlungen ab, weil es nach dem Krieg bereits umfassende Wiedergutmachungsregeln gegeben habe.

Gauck, der vor allem das moralische Gewissen der Deutschen sein will, muss auf einmal sehr tagespolitisch, sehr konkret sein. Das schmeckt ihm sichtlich nicht. Am Abend dann hält er seine Europarede im Akropolis-Museum. Es bedrücke ihn sehr, sagt der Präsident, wie „diejenigen unter der Krise am stärksten leiden, die sie nicht verursacht haben“. Um aus dem Tal herauszukommen, brächten viele Menschen Opfer.

Gauck macht den Griechen Mut: Sie dürften jetzt nicht „in Depression oder Fatalismus“ verfallen. „Der Weg führt zum Ziel, wenn Sie die eingeschlagene Richtung beibehalten.“ Europa habe bewiesen, als Gemeinschaft belastbar zu sein. Gauck ist bei seiner Rede wieder in der Rolle, die ihm am meisten behagt: die des nachdenklichen Optimisten.