Cameron bekennt sich zu EU

London/Berlin (dpa) - Großbritanniens Premierminister David Cameron hat seine Blockade beim EU-Gipfel zur Euro-Rettung als Akt des nationalen Interesses verteidigt. Großbritannien spiele in der EU weiter ganz vorne mit, wies Cameron am Montag im britischen Unterhaus jede Kritik zurück.

Oppositionschef Ed Miliband warf ihm vor, bei den Verhandlungen über mehr Haushaltsdisziplin in der vergangenen Woche in Brüssel versagt zu haben. Auch die Liberaldemokraten, die zusammen mit Camerons Tories die Regierung bilden, wehren sich gegen den ns Europa-Kurs des Konservativen, stellen die Koalition aber nicht infrage.

„Großbritannien bleibt ein vollständiges Mitglied der Europäischen Union und die Ereignisse der vergangenen Woche haben das in keinster Weise geändert“, beteuerte Cameron im Parlament. „Unsere Mitgliedschaft in der EU ist von zentralem nationalem Interesse.“ Cameron hatte sich beim EU-Gipfel gegen eine Lösung der Eurokrise gestellt und damit verhindert, dass sich alle 27 Länder gemeinsamen Regeln unter anderem für mehr Haushaltsdisziplin unterwerfen. Die anderen EU-Staaten wollen dies nun ohne die Briten angehen.

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) will dem Bundestag erneut ihr Vorgehen in der Euro-Schuldenkrise erläutern. Regierungssprecher Steffen Seibert sagte, die Kanzlerin werde an diesem Mittwoch im Parlament in einer Regierungserklärung über die Ergebnisse des EU-Gipfels aus der vorigen Woche berichten. Die Kanzlerin bezog in den vergangenen Monaten häufiger vor den Bundestagsabgeordneten Stellung, wie sie die Schuldenkrise bewältigen und den Euro retten will.

Der Bundestag werde sich auch mit den geplanten zusätzlichen Mitteln für den Internationalen Währungsfonds (IWF) befassen, in welcher Form sei aber noch nicht entschieden, sagte Seibert. Der IWF soll bis zu 200 Milliarden Euro aus europäischen Ländern erhalten, davon aus Deutschland bis zu 45 Milliarden Euro. Die Bundesbank hatte am Wochenende eine Befassung mit dem Transfers durch das Parlament angeregt.

Cameron hatte sich beim Gipfel in der Vorwoche vor allem gegen eine Transaktionssteuer für Finanzgeschäfte gewehrt, da eine solche das Londoner Bankenviertel treffen und Institute zum Abwandern bewegen könnte. Im Parlament verteidigte er diese Haltung.

Oppositionschef Miliband kritisierte Cameron heftig: Er habe bei den Gesprächen nichts erreicht und den Sitz Großbritanniens am Verhandlungstisch aufgegeben. „Statt unsere Interessen zu schützen, hat er uns unsere Stimme genommen.“ Er habe die britische Wirtschaft nicht geschützt, sondern sie in Gefahr gebracht.

Cameron sieht sich nicht nur Angriffen aus der Opposition ausgesetzt, sondern auch vom Koalitionspartner. Der Chef der europafreundlichen Liberaldemokraten, Nick Clegg, blieb der Debatte fern und erklärte, Camerons Agieren sei schlecht für Großbritannien, den Arbeitsmarkt und das Wachstum.

Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy kündigte an, dass die rechtlichen Aspekte des neuen Vertrags über eine Fiskalunion ohne Großbritannien zügig ausgearbeitet werden. Dies solle in den nächsten 15 Tagen geschehen, sagte Sarkozy in einem auf der Internetseite von „Le Monde“ (Montag) veröffentlichten Interview.

Die EU-Kommission drohte der Regierung Cameron nach dem Ausscheren in ungewöhnlich deutlichen Worten. „Falls das Manöver dazu diente, Banker und Finanzinstitutionen der (Londoner) City von der Finanzregulierung zu verschonen: Das wird nicht passieren“, sagte EU-Währungskommissar Olli Rehn in Brüssel.

Die Vize-Präsidentin der EU-Kommission, Viviane Reding, zeigte sich zuversichtlich, dass Großbritannien beim neuen EU-Vertrag noch einlenkt. „Die Briten brauchen uns mehr, als wir die Briten brauchen“, sagte Reding dem Sender MDR INFO.

Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble wandte sich gegen eine Isolierung Großbritanniens. „Die Tür für Großbritannien bleibt offen. Ich hoffe, dass die Briten die offene Tür durchschreiten werden“, sagte er in der ARD.

Die Ratingagenturen bewerteten die Gipfelergebnisse kritisch. Das Spitzentreffen habe wenig dazu beigetragen, den Schuldendruck von der Währungsunion zu nehmen, heißt es in einer Analyse der Agentur Fitch. Auch Moody's kritisierte die Gipfelergebnisse und drohte mit Bonitätsabstufungen. Standard & Poor's, die dritte große Agentur, hatte die Länder der EU und Eurozone bereits vor dem Spitzentreffen unter verschärfte Beobachtung gestellt.

Die „Troika“ der internationalen Geldgeber setzte ihre Kontrollen im von der Staatspleite bedrohten Griechenland fort. Dutzende Experten der EU, des IWF und der Europäischen Zentralbank (EZB) prüfen Möglichkeiten für eine Rettung des Landes und wollen später Maßnahmen vorschlagen. Im Mittelpunkt steht das neue Hilfsprogramm in Höhe von 130 Milliarden Euro. Gleichzeitig präsentiert die sogenannte Task-Force der EU ein Investitionsprogramm für 125 000 Arbeitsplätze.

In Italien gab es am Montag einen landesweiten Generalstreik gehen die Sparpläne der Regierung von Ministerpräsident Mario Monti. Zehntausende Beschäftigte beteiligten sich an Protestzügen, berichteten italienische Medien.