EU-China-Gipfel China: Lächelnd in den Handelskrieg?

Hinter den Kulissen des EU-China-Gipfels in Peking hat sich die Stimmung verdüstert: China pocht auf einen Status als Marktwirtschaft, will sich selbst aber nicht an internationales Recht halten.

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Peking/Berlin. Abschließend wolle er noch folgendes sagen, so EU-Ratspräsident Donald Tusk am Ende des EU-China-Gipfels: Es sei nicht immer einfach, Herausforderungen in einer offenen und freundlichen Art und Weise zu diskutieren, „weil die Einsätze hoch sind und echte Differenzen bestehen.“ Aber nach diesen zwei Tagen könne er sagen, man habe Fortschritte gemacht „dank der Offenheit und des offenen Ansatz von Präsident Xi und Premier Li.“ Und er freue sich schon auf den nächsten EU-China-Gipfel 2017 in Brüssel.

Was Tusk ebenso wenig sagt wie Jean-Claude Juncker: Chinas Offenheit besteht nicht zuletzt aus versteckten Drohungen. Experten schließen inzwischen auch einen Handelskrieg nicht mehr aus. 2001 ist China der Welthandelsorganisation (WTO) beigetreten. Die Vereinbarung damals: In 15 Jahre solle das Land den Status einer „Marktwirtschaft“ erhalten. Im Dezember läuft die Frist ab, jetzt pocht China auf diesen Status. Er bedeutet: Keine Strafzölle und kostspielige Anti-Dumping-Klagen mehr, wenn das Land komplette Weltmärkte unter Preis ausholt.

Im Mai hat sich das EU-Parlament klar dagegen ausgesprochen, China den Status zuzuerkennen, wenn das Land seine Überproduktionen unter Preis nicht in den Griff bekommt. Vor allem die europäische Stahlindustrie leidet, es könnte aber auch jede andere Branche treffen. Europäische Industrievertreter fürchten einen Dammbruch. China zeigt sich einigermaßen zuversichtlich, den Marktwirtschafts-Status zur Not auch ohne die Zustimmung der Europäer gerichtlich durchsetzen zu können — was die Widersprüchlichkeit der chinesischen Politik zeigt.

Denn obwohl China das UN-Seerechtsabkommen ratifiziert hat, will es das Urteil eines UN-Schiedsgerichts in Den Haag nicht anerkennen, das zu dem Ergebnis kommt, dass Chinas Ansprüche im Südchinesischen Meer auf Kosten der Philippinen gegen geltendes Seerecht verstoßen. Polternd hatte die chinesische Führung schon vor dem Schiedsurteil verkündet, das Ergebnis nicht anzuerkennen, weil es gleich das ganze Schiedsgericht nicht als legitim ansieht. Da dieser Konflikt vor allem zwischen China und den USA ausgetragen wird, würde die EU sich am liebsten heraushalten.

Doch daraus wird wohl nichts werden, wenn das Thema beim jetzigen Gipfel weiträumig vermieden worden sein soll und in den offiziellen Verlautbarungen gar keine Rolle spielte. Sehr wohl auf der Tagesordnung stand dagegen die Vorbereitung des G20-Gipfels, dessen Gastgeber China am 4. und 5. September in Hangzhou ist. Lenkt China in Sachen Seerecht bis dahin nicht ein, könnte es sich mit einem Boykott des Gipfels konfrontiert sehen. Härter treffen würde China aber wahrscheinlich, wenn Europa und die USA zu der gemeinsam Einschätzung gelangten, dass das Land zu wenig Verantwortungsbewusstsein zeigt, um als Marktwirtschaft akzeptiert zu werden.

Europa hat bei einem Konflikt mit China wirtschaftlich zwar viel zu verlieren, doch gleichzeitig allen Grund, geschlossen und mit klaren Positionen aufzutreten, wie eine Studie des Mercator Instituts für China Studien (Merics) im Vorfeld des Treffens in Peking analysiert hat. Die Merics-Forscher haben rund 75.000 Artikel chinesischer Medien aus der Zeit zwischen April 2015 und April 2016 untersucht, in denen die griechische Schuldenkrise, die Flüchtlingskrise, der Aufstieg rechter Parteien in der EU, die terroristische Bedrohung und das Brexit-Referendum thematisiert wurden. Die Texte stammten sowohl aus Staatszeitungen als auch aus kommerziellen und sozialen Medien. aufgegriffen wurden. Die Artikel stammten aus parteistaatlichen Medien wie der “Volkszeitung”, aus kommerziellen Medien wie “Southern Weekly” und sozialen Medien wie dem Sina Blog. Rund 300 Meinungsbeiträge wurden qualitativ analysiert. Das Ergebnis: Chinas Staatsmedien sehen die EU-Krisen als Zeichen für das Scheitern des westlichen Systems.

Die EU-Krisen, so die Autoren der Studie, hätten das bislang positive Image Europas in China in Frage gestellt. Hätten viele chinesische Kommentatoren die EU zuvor als Vorbild für politische Kontinuität betrachtet, so sei dies durch das britische Brexit-Votum ins Wanken geraten. Auch die übrigen EU-Krisen würden in China „als Resultat eines Mangels an Einigkeit und Schlagkraft“ interpretiert. Daher gelte es, einer drohenden Image-Krise entgegenzuwirken. Die Merics -Autoren empfehlen den Handelnden in den EU-Mitgliedsstaaten, sich den „bestehenden guten Willen und das ehrliche Interesse“ nicht-staatlicher Medien an der EU zunutze zu machen und genau dort ein „authentisches und ehrliches Bild“ der Herausforderungen zu vermitteln, vor denen die EU derzeit stehe.

Ob ihnen das gelungen ist, werden die europäischen Spitzenvertreter möglicherweise schon ab Freitrag feststellen können: Dann findet das 11. Asien-Europa-Treffen (ASEM) in Ulan-Bator statt. In der Hauptstadt der Mongolei treffen sich Staats- und Regierungschefs aus 50 europäischen und asiatischen Ländern, um über die künftige Ausrichtung von ASEM zu sprechen. Ob sie den EU-China-Gipfel als Erfolg für die EU ansehen, werden Juncker und Tusk schnell erfahren.