China will Einkommenskluft verringern
Peking (dpa) - Aus Angst vor sozialen Unruhen wollen Chinas künftige Führer die Armut bekämpfen und die Verteilung der Einkommen gerechter gestalten.
Die Kluft zwischen Arm und Reich soll verkleinert werden, wie am Mittwoch aus einem lange erwarteten Plan der Regierung in Peking hervorgeht. Der Mindestlohn wird danach in den Städten und dem größten Teil des Landes bis 2015 auf mindestens 40 Prozent des Durchschnittslohnes angehoben.
Staatsunternehmen sollen stärker zur Kasse gebeten werden, um mit einem Teil ihrer Gewinne die Sozialversicherung zu unterstützen, wie Staatsmedien berichteten. Die Ausgaben für Arbeit und Soziales werden stark ausgeweitet. Ziel sei es, die Zahl der Armen bis 2015 um 80 Millionen drastisch zu verringern. Offiziell galten 2011 rund 128 Millionen Chinesen, die weniger als 2300 Yuan (heute umgerechnet 272 Euro) pro Kopf im Jahr verdienen, als arm.
„Eine gerechtere Einkommensverteilung ist ein entscheidender Schritt, um Gleichheit und Gerechtigkeit sowie Stabilität und Harmonie zu wahren“, stellte die Regierung laut Nachrichtenagentur Xinhua fest. Die neue Führung von Parteichef Xi Jinping und dem künftigen Ministerpräsidenten Li Keqiang will damit die sozialen Probleme anzupacken, die durch das rasante Wachstum in China entstanden sind.
Der Plan bekräftigt das Ziel, die Einkommen bis 2020 gegenüber 2010 zu verdoppeln. Mit einer besseren Einkommensverteilung soll auch der heimische Konsum angekurbelt werden, der Chinas Wachstum stärker tragen und den Rückgang des Exportwachstums durch die Weltwirtschaftskrise auffangen soll.
Der Anteil der Ausgaben für soziale Sicherheit und Arbeit am gesamten Haushalt soll bis 2015 um rund zwei Prozent wachsen. Allerdings mahnte die Regierung auch zur Geduld. Die Reform der Einkommensverteilung sei ein „mühseliges und kompliziertes“ Vorhaben. „Es kann auf keinen Fall über Nacht erreicht werden.“
Staatsunternehmen sollen die Gehälter ihrer leitenden Manager begrenzen. Deren Bezüge sollen langsamer wachsen als der Durchschnitt. Das Personal der Behörden auf zentraler und lokaler Ebene soll nicht weiter steigen. Auch sollen Ausgaben für Empfänge, Autokäufe und Auslandsreisen strikter kontrolliert werden.
Der Anteil ihrer Gewinne, den große Staatsbetriebe an die Zentralregierung abgeben müssen, soll bis 2015 um rund fünf Prozentpunkte steigen und in die Sozialversicherung fließen, ließ die Regierung wissen. Wie hoch die Abgaben heute sind, wurde nicht mitgeteilt, doch wird schon lange gefordert, dass die Staatsunternehmen auch Dividenden an den Staat abführen sollten.
Die neuen Führer Chinas, die im März die Regierung neu besetzen und umbilden werden, reagieren mit ihrem Zukunftskonzept auf die enormen Einkommensunterschiede zwischen Arm und Reich sowie Stadt und Land. Der Gini-Koeffizient, der die Ungleichheit einer Gesellschaft misst, hat nach jüngsten offiziellen Angaben 0,47 erreicht. Sozialwissenschaftler hatten zuvor auch schon alarmierende 0,6 errechnet. Über 0,4 warnen Experten vor sozialen Unruhen.
Der Maßstab geht auf den italienischen Statistiker Corrado Gini (1884 bis 1965) zurück. Bei einem Wert von 0 sind Einkommen oder Vermögen gleichmäßig auf die Bürger eines Staates verteilt. Je mehr der Wert sich der 1 nähert, desto größer ist die Ungleichheit. Das verfügbare Pro-Kopf-Einkommen in Chinas Städten lag 2011 bei 22 000 Yuan im Jahr (heute 2605 Euro) und damit mehr als dreimal höher als auf dem Lande mit 7000 Yuan (umgerechnet 829 Euro).