Das Europaparlament — Volksvertreter mit Biss

Die Zeiten des Debattierclubs sind vorbei. Heute haben die Abgeordneten großen Einfluss.

Die Abgeordneten aus den 28 Mitgliedstaaten haben sich zu derzeit sieben Fraktionen zusammengeschlossen. Dabei sitzen und arbeiten die deutschen Parlamentarier mit den Kollegen ihrer europäischen Schwesterparteien zusammen.

Foto: Patrick Seeger

Straßburg. Jahrelang wurde das Europaparlament als zahnloser Tiger verspottet, als Debattierclub ohne wirkliche Macht. Doch dieses Klischee ist schon seit langem überholt. Seit der ersten Direktwahl 1979 hat sich das Straßburger Parlament immer mehr Kompetenzen erkämpft.

Europawahl: Vergeben werden 751 Sitze. Aus Deutschland werden 96 Bewerber ein Mandat erhalten. Das sind so viele wie aus keinem anderen Mitgliedstaat, aber drei weniger als bisher.

Foto: Patrick Seeger

Ein wichtiger Schritt war der Reformvertrag von Lissabon, der im Dezember 2009 in Kraft trat.

Seither entscheidet die EU-Volksvertretung gemeinsam mit den heute 28 Mitgliedsländern über gut 90 Prozent der EU-Gesetze. Eine Ausnahme bildet die Steuerpolitik, die weiterhin von den EU-Staaten alleine entschieden wird. Ein Mitspracherecht haben die Euro-Parlamentarier aber etwa beim Verbraucherschutz, bei Vorschriften für Lebensmittelsicherheit, bei Abgasnormen für Autos und dank des Lissabon-Vertrages nun auch bei der Agrarpolitik, die mehr als ein Drittel des EU-Haushalts verschlingt — im laufenden Jahr 44 Milliarden Euro.

In der zu Ende gehenden Legislaturperiode hat das Europaparlament mehr als 800 EU-Gesetze, Richtlinien und Verordnungen verabschiedet. Unterhändler des Parlaments und des Rates, in dem die EU-Staaten vertreten sind, verhandeln oft monatelang, bis sie einen Kompromiss finden. Und bei der Verabschiedung des EU-Haushalts hat das Parlament das letzte Wort — ohne sein grünes Licht werden Mittel etwa für die Förderung der ärmeren Regionen oder für bestimmte Forschungsvorhaben nicht freigegeben.

Der Lissabon-Vertrag schreibt ferner die Zustimmung des Europaparlaments für EU-Verträge mit Drittstaaten vor. Von diesem Recht machte das Parlament erstmals 2010 Gebrauch: Es blockierte ein Abkommen, das den Transfer von Bankdaten europäischer Bürger an die USA vorsah.

„Das war ein Knaller“, sagt der SPD-Abgeordnete Jo Leinen. „Die Amerikaner haben da erst gemerkt, dass das Europaparlament etwas zu sagen hat.“ Einige Monate später stimmte das Parlament dem Abkommen zu — eine Mehrheit vertraute den Zusagen der USA bezüglich des Datenschutzes. Auch bei dem Regelwerk, mit dem die EU auf die internationale Finanzkrise reagierte, war das Parlament eine treibende Kraft. In harten Verhandlungen mit den Mitgliedsländern setzte es sich etwa mit seiner Forderung nach einer Deckelung von Bankerboni durch.