Der Manager der Regierungskrise

Yves Leterme ist Ministerpräsident eines Übergangs-Kabinetts.

Brüssel. Vor einem Jahr war Yves Leterme politisch am Ende: Am 26. April 2010 nahm Belgiens König Albert II. das Rücktrittsgesuch an, das der Ministerpräsident für sich und sein Kabinett eingereicht hatte.

Zwölf Monate später geht es dem 51-jährigen flämischen Christdemokraten besser denn je: Leterme, abgedankt und abgewählt, ist weiter im Amt — nunmehr geschäftsführend, aber dafür weitaus erfolgreicher als zu seinen Zeiten als regulärer Regierungschef.

Zwar wird auch das hoch verschuldete Belgien immer wieder genannt, wenn „die Märkte” und ihre Kundschaft nach unsicheren Kantonisten im Euro-Verbund Ausschau halten. Davon abgesehen aber geht es den Belgiern nicht schlecht.

Die Wirtschaft wächst in beachtlichem Tempo, der Haushalt steht, der Schuldenabbau ist eingeleitet, 2012 soll die Neuverschuldung unter die Maastricht-Marke von drei Prozent der Wirtschaftsleistung gedrückt werden

Und der Mann an der Spitze kann sich jetzt aufs Mögliche konzentrieren. Zwar ist seine Gestaltungsmacht als Geschäftsführer der Firma Belgien auf das begrenzt, was aktuell anliegt. Langfristiges wird verschoben.

Dafür braucht Leterme sich nicht mehr mit dem Problem abzuplagen, für das er, Sohn eines wallonischen Vaters und einer flämischen Mutter, wie geschaffen schien, an dem er aber als Ministerpräsident scheiterte: die Befriedung des Zwistes zwischen Flamen und Wallonen durch eine Verfassungsreform.

Und die Genugtuung wächst — was er nicht schaffte, hat bislang auch kein anderer geschafft. 250 Tage nach den Parlamentswahlen vom vergangenen Juni ist es immer noch nicht gelungen, die Wahlsieger aus dem Norden, wo man Niederländisch spricht, und dem frankophonen Süden zu einer nationalen Regierung zusammen zu schirren.

Damit ist die lange Zeit populäre Vorstellung vom Versager Leterme der bitteren Einsicht gewichen, dass es in der politischen Klasse des Landes haufenweise Leute gibt, die der Aufgabe nicht gewachsen sind, für die sie sich lautstark gemeldet haben.