Deutscher Islamkritiker ist in Kairo verschollen
Hamad Abdel-Samad hat sich mit seinen Ansichten in Ägypten viele Feinde gemacht.
Kairo. Der in seinem Herkunftsland Ägypten umstrittene deutsche Publizist Hamad Abdel-Samad ist in Kairo verschollen. Die ägyptische Polizei geht von einer Entführung aus. Ein Beamter sagte am Montag, es sei nicht auszuschließen, dass Extremisten für das Verschwinden des Publizisten verantwortlich seien.
Die Meinungen, die Hamed Abdel-Samad vertritt, können viele Menschen in Deutschland gut nachvollziehen. In Ägypten, wo der kritische Publizist aufgewachsen ist, gelten seine Thesen dagegen als radikal.
Der Deutsch-Ägypter, der immer wieder am Nil ist, argumentiert, dass die Grundsätze des Islam keine ewige Wahrheit seien, sondern im historischen Kontext relativiert werden sollten. Zwar würden nur sehr wenige Ägypter so weit gehen wie die Salafisten. Jene erklärten den zwischen Ost und West pendelnden Denker im Sommer 2012 zum „Ungläubigen“, den man töten darf. Auslöser war sein Kommentar über „religiösen Faschismus“.
Doch seine Theorie, wonach die Eroberung der Stadt Mekka durch die Anhänger des Propheten Mohammed die Saat für diesen bis heute nachwirkenden „religiösen Faschismus“ gelegt habe, finden viele Muslime in Ägypten anstößig. Allerdings ist Abdel-Samad in Ägypten — abgesehen von der Aufregung um die Todes-Fatwas gegen ihn — auch deutlich weniger bekannt als in Deutschland. In seiner neuen Heimat tritt er häufig in TV-Sendungen auf, die sich mit dem Islam befassen.
Für seinen Bruder Mahmud, mit dem Abdel-Samad kurz vor seinem Verschwinden noch telefoniert hatte, steht fest, dass islamistische Fanatiker hinter der Entführung stecken. Der Bruder erstattete Anzeige gegen die Al-Gamaa Al-Islamija. Die radikale Bewegung hatte während der Regierungszeit des inzwischen gestürzten islamistischen Präsidenten Mohammed Mursi erheblichen Einfluss.
Seit der Entmachtung Mursis durch das Militär, die von Abdel-Hamad begrüßt worden war, sind in Ägypten Tausende Islamisten hinter Gittern verschwunden. Militante Islamisten-Gruppen haben mehrere Terroranschläge verübt, vor allem auf dem Sinai.
Verwandte, Freunde und deutsche Diplomaten machen sich jetzt große Sorgen um den Verschwundenen. „Wir sind Freunde, und ich hoffe, dass er zurückkehrt, um weiterhin seine Rolle als frei denkender Schriftsteller, der seine Ideen und Prinzipien verteidigt, wahrzunehmen“, sagt sein Kairoer Verleger Mohammed Haschim.
Die Polizei hat bei ihrer Suche nach den mutmaßlichen Entführern nicht viele Anhaltspunkte. Sie weiß nur aus dem letzten Telefonat Abdel-Samads, dass ein schwarzes Auto dem Schriftsteller von seinem Hotel bis zu dem Park, in dem er verabredet war, gefolgt war. Zudem wartete der Fahrer des verdächtigen Fahrzeuges auch dann noch auf Abdel-Samad, als jener den Park verließ. Kurz darauf riss der Telefonkontakt ab.