Dutzende Terroristen der Eta vor Freilassung
EU-Gericht rügt Spanien wegen zu langer Haftdauer. 60 Strafgefangene könnten freikommen.
Straßburg/Madrid. Sie wurden wegen brutaler Terroranschläge in Spanien zu mehreren 1000 Jahren Haft verurteilt. Doch viele jener Eta-Terroristen, die mit Höchststrafen in spanischen Gefängnissen sitzen, könnten demnächst auf freien Fuß kommen.
Der Europäische Gerichtshof entschied nun, dass eine 1990 wegen 24-fachen Mordes verurteilte Eta-Terroristin freigelassen werden muss, weil auch sie ein Recht auf Haftminderung wegen guter Führung oder Gefängnisarbeit habe.
Das Urteil des Gerichtshofs für Menschenrechte in Straßburg könnte die baldige Freilassung von etwa 60 verurteilten Terroristen der gewalttätigen baskischen Separatisten-Organisation und auch weiteren einsitzenden Schwerverbrechern zur Folge haben.
Der EU-Gerichtshof entschied konkret über den Fall der baskischen Terroristin Inés del Río. Sie war eine der gewalttätigsten Terroristinnen der Eta, und sie war wegen vielfachen Mordes sowie etlicher Terrorakte zu einer Gesamtstrafe von 3828 Jahren, der Summe vieler Einzelstrafen, verurteilt worden. Diese Strafe war in der Praxis jedoch auch damals schon durch die gesetzliche Hafthöchstgrenze auf maximal 30 Jahre Freiheitsentzug begrenzt.
2006 entschied Spanien jedoch, dass Terroristen und andere Schwerkriminelle nicht mehr so einfach mit einem Strafrabatt, zum Beispiel wegen guter Führung, vorzeitig freikommen sollten. Seitdem wird eine mögliche Strafminderung nur noch auf die exorbitante Gesamtstrafe und nicht wie bisher auf die tatsächlich zu verbüßende Höchststrafe angerechnet.
Diese Regel wurde auch rückwirkend auf die bereits verurteilten Terroristen angewandt, was von Beginn an umstritten war und umgehend eine Klagewelle auslöste. Nun gab der Menschengerichtshof der Beschwerde von del Río statt. Sie hätte nach der alten Regelung, die zum Zeitpunkt ihrer Verurteilung galt, bereits 2008 freikommen müssen. Die nachträgliche Verlängerung ihrer zu verbüßenden Haftzeit verstoße gegen die europäischen Konventionen, urteilten jetzt die Straßburger Richter.
Die heute 55-Jährige muss nun umgehend aus der Haft entlassen werden. Auch wurden ihr 30 000 Euro Entschädigung zugesprochen. Geld, das jedoch nicht ausgezahlt wird, weil die Terroristin wiederum ihren Opfern Entschädigungen in Millionenhöhe schuldet.