„Ein Paradies der Jugend wurde in wenigen Stunden zur Hölle“
Die Überlebenden des Amoklaufs auf der Insel Utøya berichten von den schrecklichen Ereignissen.
Oslo. Sie hatten sich zu einem fröhlichen Sommerlager versammelt, doch sie erlebten die Hölle auf Erden. Auf der Insel Utøya eröffnet am Freitag Anders B. Breivik das Feuer auf die Teilnehmer eines Jugendcamps der regierenden Arbeiterpartei.
Bevor er sich nach rund eineinhalb Stunden der eintreffenden Polizei ergibt, richtet er mehr als 80 meist junge Menschen regelrecht hin. Die Überlebenden finden kaum Worte, um den Horror zu beschreiben, der ihnen widerfahren ist.
Adrian Pracon, der das Massaker überlebte, berichtet: „Er hat angefangen auf die Leute zu schießen, da habe ich mich hingelegt und tot gestellt. Er stand vielleicht zwei Meter neben mir. Ich konnte seinen Atem hören. Ich konnte die Wärme seines Maschinengewehrs spüren.“ Breivik habe mit einem Gewehr auf seinen Kopf gezielt. „Ich flehte, dass er nicht abdrückt — und er tat es nicht.“
Rund 600 junge Menschen befinden sich auf der Insel als Breivik das Feuer eröffnet. Bei den Teilnehmern herrscht zunächst Verwirrung. „Wir haben plötzlich Schüsse hinter einem Hügel gehört“, sagt Khamshajiny Gunaratnam.
Dann bricht Panik aus. Die Teilnehmer flüchten vor den Schüssen, versuchen sich im Wald und hinter Steinen zu verstecken, viele springen in Todesangst ins Wasser, um sich schwimmend an das rund 700 Meter entfernt liegende Festland zu retten. Doch Breivik schießt auch auf die Flüchtenden im Wasser, nimmt ein Opfer nach dem anderen ins Visier.
„Er war sehr ruhig“, sagt die Abgeordnete Stine Haheim, die sich auf der Insel befand. „Er ist nicht gerannt, er hat sich langsam bewegt und auf jeden geschossen, den er gesehen hat.“
In einen Polizei-Pullover gekleidet und mit zwei Schusswaffen ausgerüstet lockt Breivik die Teilnehmer des Camps zu sich, die nur kurz zuvor über den Bombenanschlag in Oslo informiert worden waren. Er habe gesagt: „Kommt zu mir, ich habe wichtige Informationen, kommt zu mir, es besteht keine Gefahr“, sagt die 15-jährige Elise. Dann habe er das Feuer eröffnet.
Ministerpräsident Jens Stoltenberg hätte Samstag in dem Lager eine Rede halten sollen, seit mehr als 35 Jahren besucht er jedes Jahr die Insel. „Ein Paradies der Jugend wurde in wenigen Stunden zur Hölle“, sagt er nach dem Anschlag.