Enthüller Snowden: „Ich habe bereits gewonnen“

Washington (dpa) - Der US-Informant Edward Snowden hat ein halbes Jahr nach seinen ersten Geheimdienst-Enthüllungen eine positive Bilanz gezogen. „Was meine persönlichen Bedürfnisse betrifft, ist das Ziel erreicht.

Ich habe bereits gewonnen“, sagte der 30-Jährige der „Washington Post“.

Denn er habe nicht die Gesellschaft ändern wollen. Er habe der Gesellschaft eine Chance geben wollen, selbst herauszufinden, ob sie sich ändern wolle.

Anfang Juni brachte ein erster Bericht zur Überwachung von Handy-Verbindungen den sogenannten Skandal um den US-Geheimdienst NSA ins Rollen. Die Unterlagen machten erstmals die Dimension des weltweiten Überwachungssystems der NSA öffentlich. Dabei wurde unter anderem enthüllt, dass die NSA flächendeckend Internet-Daten aufsaugt und dass Kanzlerin Angela Merkel abgehört wurde. Snowden hält sich derzeit an einem unbekannten Ort in Russland auf, das ihm am 1. August vorübergehend Asyl gewährt hat. Er stand dem „Post“-Reporter Barton Gellman 14 Stunden lang Rede und Antwort.

In dem in der Nacht zum Dienstag online veröffentlichten Interview wehrte sich der Whistleblower auch gegen Vorwürfe, er sei ein Überläufer. „Ich versuche nicht, die NSA kaputt zu machen; ich arbeite daran, die NSA zu verbessern“, sagte Snowden. „Ich arbeite momentan noch immer für die NSA. Sie sind die einzigen, die es nicht bemerken.“

Zu seinem aktuellen Leben in Moskau sagte Snowden, er lebe „asketisch“. Er ernähre sich von Instantnudel-Gerichten und Chips. Besucher hätten viele Bücher mitgebracht, die sich ungelesen stapelten, schrieb die Zeitung. „Es war schon immer wirklich schwierig, mich dazu zu bringen, das Haus zu verlassen“, sagte Snowden. Solange er irgendwo sitzen und denken, schreiben oder sich mit jemandem unterhalten könne, sei das für ihn wichtiger, als rauszugehen und sich Sehenswürdigkeiten anzuschauen.

Snowden verteidigte sein Vorgehen in dem Interview ausdrücklicher als zuvor. Es seien auch die Passivität der Geheimdienst-Kontrolleure im US-Kongress und die lasche Aufsicht durch das zuständige geheime Gericht gewesen, die ihn zum Handeln gedrängt hätten. Er habe zunächst Kollegen und Vorgesetzte auf die Missstände hingewiesen, sagte Snowden. Zudem habe er 2009 selbst vorgeschlagen, ein Zwei-Mann-System für Administrator-Zugänge einzuführen. Wäre dies geschehen, hätte er später nicht unbehelligt Zehntausende Dokumente herunterladen können. Die NSA teilte der „Washington Post“ mit, sie habe keine Belege für diese Darstellung Snowdens.

Der von den USA wegen Geheimnisverrats gesuchte Informant hatte mehreren Journalisten Dokumente der NSA zugespielt, für die er vor seiner Flucht auf Hawaii gearbeitet hatte. „Post“-Reporter Gellman, der jetzt in Moskau mit Snowden sprach, war der erste, den er kontaktiert hatte. Snowden war im Sommer auf einem Moskauer Flughafen gestrandet, nachdem die US-Regierung seinen Pass für ungültig erklärt hatte. Russland gewährte ihm Asyl bis Juli kommenden Jahres.

US-Präsident Barack Obama hatte Snowdens Enthüllungen Ende vergangener Woche als „unnötigen Schaden“ für die Geheimdienstarbeit und die Diplomatie bezeichnet. Zugleich räumte er aber ein, die Datensammlung und die Abhöraktionen der NSA hätten das Vertrauen von Amerikanern und ausländischen Partnern erschüttert.

Experten hatten Obama jüngst 46 Änderungsvorschläge zur Geheimdienstarbeit unterbreitet, darunter eine stärkere Zurückhaltung bei der Überwachung ausländischer Staatslenker. Der US-Präsident kündigte an, das Thema im kommenden Jahr angehen zu wollen.