Präsidentenwahl Erdogan bittet Türken in Europa um „Rekordzahl an Stimmen“
Sarajevo (dpa) - Gut einen Monat vor den Wahlen in der Türkei hat Präsident Recep Tayyip Erdogan die Türken im Ausland um massenhafte Unterstützung gebeten.
„Seid Ihr bereit, den Terrororganisationen und ihren lokalen und ausländischen Handlangern eine osmanische Ohrfeige zu verpassen?“, sagte Erdogan am Sonntag vor Tausenden jubelnden Auslandstürken im bosnischen Sarajevo. „Seid Ihr bereit, mich mit einer Rekordzahl an Stimmen in der Präsidentenwahl zu unterstützen?“ Bei den Präsidenten- und Parlamentswahlen am 24. Juni gehe es um eine Entscheidung „für das nächste Jahrhundert unseres Landes“.
Nach Angaben der Union Türkisch-Europäischer Demokraten (UETD) waren mehr als 10.000 Auslandstürken nach Sarajevo gereist, etwa die Hälfte davon aus Deutschland. Die UETD hatte den bislang einzigen geplanten Wahlkampfauftritt Erdogans im europäischen Ausland organisiert. Erdogan sagte: „Seid Ihr bereit, der ganzen Welt die Stärke der europäischen Türken zu demonstrieren?“ Er forderte die Auslandstürken auf: „Gebt von Deutschland, Belgien, Österreich, den Niederlanden aus eine Antwort, die überall in Europa gehört werden kann.“
Erdogan rief seine Anhänger im Ausland dazu auf, dort ihren Einfluss auszudehnen. „Nehmt unbedingt die Staatsangehörigkeit der Länder an, in denen ihr lebt“, sagte er. „Ich bitte Euch, dass Ihr eine aktive Rolle in den politischen Parteien in den Ländern übernehmt, in denen Ihr lebt. Ihr solltet ein Teil dieser Parlamente sein, nicht diejenigen, die ihr Land verraten.“ Erdogan hat in der Vergangenheit türkischstämmige Bundestagsabgeordnete wie den Grünen-Politiker Cem Özdemir angegriffen, die seine Politik kritisieren.
Die Stimmen der Auslandstürken haben bei Wahlen in der Türkei erhebliches Gewicht. Beim Verfassungsreferendum im vergangenen Jahr waren knapp drei Millionen Auslandstürken als stimmberechtigt registriert, sie stellten rund fünf Prozent aller türkischen Wahlberechtigten. Die größte Gruppe bildeten die 1,4 Millionen wahlberechtigten Türken in Deutschland. In der Türkei finden am 24. Juni Präsidenten- und Parlamentswahlen statt.
Erdogans Regierung drängte die Bundesregierung, das im vergangenen Jahr erlassene Wahlkampfverbot für Amtsträger aus Nicht-EU-Staaten zu überdenken. Mit Blick auf die hier lebenden Türken sagte Vize-Regierungschef Recep Akdag der „Welt“: „Es ist das demokratische Recht dieser Menschen, dass sie im Wahlkampf von Politikern aller türkischen Parteien über deren Ziele und Ideen informiert werden.“ Seine Regierung verstehe nicht, warum Wahlkampfauftritte in Deutschland jahrelang möglich waren „und jetzt plötzlich alles anders sein sollte“.
Im vergangenen Frühjahr hatten geplante Wahlkampfauftritte von türkischen Regierungsvertretern in Deutschland vor dem Verfassungsreferendum in der Türkei zu heftigem Streit zwischen Berlin und Ankara geführt. Erdogan hatte Bundeskanzlerin Angela Merkel wegen verhinderter Auftritte „Nazi-Methoden“ vorgeworfen.
Erdogans Wahlkampfauftritt in Sarajevo führte zu heftigem Streit in Bosnien-Herzegowina. Er habe von der Wahlveranstaltung nur aus den Medien erfahren, sagte das kroatische Mitglied im dreiköpfigen Staatspräsidium, Dragan Covic, dem Zagreber TV-Sender HRT am Sonntag. Der Besuch füge dem in die EU strebenden kleinen Balkanland großen strategischen Schaden zu. Länder wie Deutschland und die Niederlande hatten Wahlkampf für die am 24. Juni geplanten türkischen Parlaments- und Präsidentenwahlen verboten.
Die Türkei hatte den für Sonntag geplanten Auftritt Erdogans über das muslimische Mitglied im bosnischen Staatspräsidium, Bakir Izetbegovic, organisiert. Izetbegovic, der sich als enger Freund des türkischen Präsidenten bezeichnet, hatte am Vortag die Türkei als Investor und Verbündeten gelobt. Demgegenüber kritisierte der zweitwichtigste Muslimführer Fahrudin Radoncic im TV-Sender N1 den Wahlkampf in Sarajevo. Erdogan gehe es um „eine Demonstration für Westeuropa: Seht mal, hier auf dem Balkan kann ich sein“.
Die Parlaments- und Präsidentenwahlen in der Türkei sollen am 24. Juni erstmals zeitgleich stattfinden. Damit soll die Einführung des von Erdogan angestrebten und beim Verfassungsreferendum mit knapper Mehrheit beschlossenen Präsidialsystems abgeschlossen werden.
Erdogan trat in Sarajevo bei einem Kongress der UETD auf. Die vor allem in Deutschland aktive UETD gilt als AKP-Lobbyorganisation und hat in der Vergangenheit umstrittene Auftritte Erdogans in der Bundesrepublik organisiert.