Grundeinkommen von 780 Euro Populisten besiegeln Regierungsvertrag in Italien

Rom (dpa) - Hin zu Russland, weg von der EU, mehr Schulden und weniger Migranten: Der Regierungsvertrag zwischen der populistischen Fünf-Sterne-Bewegung und der fremdenfeindlichen Lega in Italien steht.

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Die beiden europakritischen Parteien einigten sich nach wochenlangem Taktieren auf ein Programm, das kostspielige Versprechen wie Steuersenkungen vorsieht. Dies dürfte aber kaum mit den Verpflichtungen in der Eurozone zu vereinbaren sein. Europakritische Passagen wurden dagegen wieder etwas entschärft. Eine Einigung über einen Regierungschef steht allerdings noch aus.

Den kompletten Koalitionsvertrag für die „Regierung des Wandels“ veröffentlichten die Sterne auf ihrer Webseite, wo die Unterstützer mit großer Mehrheit am Freitagabend zustimmten. Auch die Lega will ihre Mitglieder am Samstag und Sonntag noch über das Regierungsprogramm entscheiden lassen. Es wird mit einer Zustimmung gerechnet. „Es kommt Euch wie ein Traum vor? Es ist ein Traum, der sich nun verwirklichen kann“, schrieb Sterne-Chef Luigi Di Maio.

Anfang nächster Woche könnte Staatspräsident Sergio Mattarella dann einer der ungewöhnlichsten Regierungen des Landes seinen Segen geben. Die Sterne waren noch nie in einer nationalen Regierung und kämpften stets für eine Abschaffung der alten politischen Kaste. Mit der Lega, die vor allem im reichen Norden stark ist, gibt es grundlegende Differenzen.

Di Maio sprach von einer „Welle des Wandels“, an der nun alle Italiener teilhaben könnten. „Eine neue Ära wird beginnen.“ Lega-Chef Matteo Salvini sprach von „Tagen und Nächten voller Arbeit“. „Basta mit den Lügen der Zeitungen und des Fernsehens, hier ist die Realität“, twitterte er und veröffentlichte den Vertrag.

In ihrem Programm stehen Lega und Sterne-Bewegung für eine Außenpolitik ein, die die nationalen Interessen in den Mittelpunkt rückt und „die Interessen Italiens in Europa besser schützt“. Die Zugehörigkeit Italiens zur Nato wird bekräftigt. Gleichzeitig wird von einer Öffnung zu Russland gesprochen, das keine Bedrohung sei, sondern ein zunehmend wichtiger Wirtschaftspartner. Die Sanktionen müssten daher aufgehoben werden.

Von einem Szenario zum Euro-Austritt war in dem Koalitionspapier nichts mehr zu lesen - dies hatte in einem durchgesickerten Entwurf noch für Unruhe gesorgt. Auch am Freitag sorgte die Regierungsbildung für Bewegung an den Finanzmärkten.

Beim Punkt Staatsverschuldung und Haushaltsdefizit ist davon die Rede, die europäischen Verträge „neu zu diskutieren“. Eine neue Regierung wolle das Defizit zwar drücken, aber nicht durch eine Sparpolitik sondern durch Wirtschaftswachstum.

Italien hat eine Staatsverschuldung von mehr als 130 Prozent der Wirtschaftsleistung - so viel wie kaum ein anderes Land der Welt und weit mehr als die in der EU vorgesehenen 60 Prozent. Die Einführung von nur zwei Steuersätzen von 15 und 20 Prozent, von einem Grundeinkommen von 780 Euro im Monat und die Aufhebung der Rentenreform - alles in dem Regierungsvertrag enthalten - kosten nach Angaben von Experten rund 100 Milliarden Euro.

Bei der Migration wollen beide Parteien die Ankünfte stoppen. Die Abschiebungen von rund 500 000 „Illegalen“ habe „Priorität“. Statt für die Unterbringung der Migranten soll das Geld für Rückführungen ausgegeben werden. Zudem wollen sie die Dubliner EU-Verträge neu aushandeln, die besagen, dass Migranten dort Asyl beantragen müssen, wo sie erstmals die EU betreten haben. An Italiens Küsten kamen seit 2014 mehr als 630 000 Migranten über das Meer an. Die Stimmung im Land ist daher immer ausländerfeindlicher geworden und der Frust mit der EU immer größer, die es versäumt hat, die Migranten in ganz Europa umzuverteilen.

Lega-Chef Salvini kündigte an, die Parteien würden am Montag den Koalitionsvertrag Präsident Mattarella vorlegen. Allerdings muss bis dahin der Kandidat für das Amt des Ministerpräsidenten gefunden sein. Die Sterne waren bei der Wahl am 4. März mit 32 Prozent stärkste Einzelkraft geworden, die Lega hatte 17 Prozent bekommen. Es wird vermutet, dass ein dritter Kandidat Regierungschef wird.