Meinung Warum der Merkel-Besuch in Sotschi ein neuer Anfang sein kann

Berlin. Wächst wieder zusammen, was zusammengehört? Europa und Russland? Die Ereignisse dieser Tage, auch Merkels Treffen mit Putin in Sotschi, deuten darauf hin.

Vor dem Hintergrund einer drohenden Eskalation im Nahen Osten hat sich Bundeskanzlerin Merkel in Sotschi mit dem russischen Präsidenten Putin zu einem Gespräch unter vier Augen getroffen. Zur Begrüßung gab es weiße Rosen für Merkel.

Foto: Sergey Guneev

Vor ihr war der Wirtschaftsminister in Russland, davor der Außenminister. Es ist gemessen an der zurückliegenden Eiszeit eine regelrechte diplomatische Offensive.

Eine Wiederannäherung an Russland entspricht dem Wunsch großer Teile der Bevölkerung und der Wirtschaft. Doch Vorsicht. Die Gründe für die Krise, die Annexion der Krim, die Aggression in der Ost-Ukraine und die militärischen Muskelspiele sind nicht verschwunden. Kurz vor Merkel hat Putin den syrischen Diktator Assad empfangen, den man einen Menschenschlächter nennen darf.

Niemand sollte sich Illusionen über den Charakter des neuen russischen Zaren machen. Gleichwohl muss versucht werden, mit ihm pragmatisch umzugehen. Denn zum einen wird er noch mindestens weitere sechs Jahre amtieren. Zum anderen braucht man ihn zur Lösung zentraler Probleme, von Syrien bis Iran. Allerdings braucht auch er den Kontakt mit Europa, um wirtschaftlich voranzukommen.

Es gibt also Ansatzpunkte. Das historische Vorbild: Der Umgang des Westens mit der DDR. Auch da gab es große Streitfragen, die Staatsbürgerschaft, der Status Berlins. Und dennoch hat man Verträge gemacht. Man hat die Konflikte ausgeklammert, ohne sie zu vertuschen. Dahin muss es auch zwischen Europa und Russland kommen.

Ein Kommentar von Werner Kolhoff. Foto: krohnfoto.de

Ein Beschleuniger dafür ist Donald Trump. Die Aufkündigung des Iran-Abkommens hat zweierlei Wirkungen. Zum einen zwingt sie Europa in eine Allianz mit Russland und China, um das Abkommen noch zu retten. Zum zweiten trifft sie die transatlantische Allianz im Kern. Denn Trump ist nicht nur einseitig vorgegangen, er droht den Europäern sogar. Das ist mehr als eine normale Meinungsverschiedenheit, wie Merkel weiszumachen versucht. Für Trump ist Europa nur noch ein Konkurrent wie jeder andere. Es gibt keinen Grund, das nicht gleichwertig zu beantworten.

Sitzen wir also zwischen Teufel und Beelzebub? Ja, zunehmend. Nichts können Deutschland und Europa jetzt tun, außer die Lage zu begreifen und anzunehmen. Das heißt: Zusammenhalten und möglichst eigenständig agieren. In Sotschi hat Angela Merkel dazu einen Anfang gemacht.