Ermordete Journalistin Galizia: „Mutige Kämpferin der Pressefreiheit“

Der Mord an einer regierungskritischen Bloggerin rüttelte die Maltesen wach. Jetzt ist sie beigesetzt worden. Viele Fragen noch offen.

Foto: Jon Borg/dpa

Düsseldorf. Mit dem Inselstaat Malta verbinden in hiesigen Breitengraden wohl die meisten Menschen zerklüftete Landschaften, malerische Strände und die verträumten Gassen der Hauptstadt Valettas. Doch vor einigen Wochen hat sich ein langer Schatten über das sonnige Antlitz des Urlaubsparadieses gelegt, das Schauplatz eines feigen Mordes geworden ist: Durch eine Autobombe wurde die maltesische Journalistin Daphne Caruana Galizia im Alter von gerade mal 53 Jahren brutal aus dem Leben gerissen. Alles weist auf einen politisch motivierten Anschlag hin — mitten in einem EU-Land.

Die Mutter von drei Kindern war nicht irgendjemand unter Maltas Vertretern der schreibenden Zunft: Immer wieder hatte sie sich auf ihrem viel beachteten Blog mit ihren Recherchen mächtige Feinde in Regierungskreisen gemacht, galt als hartnäckig und unbequem. So gehörte Galizia zu einer Gruppe von Investigativjournalisten, die den Skandal um die berüchtigten „Panama Papers“ aufdeckten — jene vertraulichen Unterlagen des panamischen Offshore-Dienstleisters Mossach Fonseca, der in 21 Steueroasen rund um den Globus gut 14 000 Klienten geholfen haben soll, über 200 000 Briefkasten-Firmen fernab der regulären Finanzmarktaufsicht zu gründen.

Öffentlich hatte Premierminister Joseph Muscat den Mord an an Galizia scharf verurteilt und sprach von einem „barbarischen Akt“, wenngleich die Journalistin als eine seiner schärfsten Kritikerinnen galt. Denn immer wieder hatte Galizia der maltesischen Regierung Korruption vorgeworfen. Ihren Recherchen war es zu verdanken, dass der Regierungschef vorgezogene Neuwahlen ausrufen musste. Unter anderem steht dessen Frau im Verdacht, Bestechungsgelder auf geheimen Konten in Panama versteckt zu haben. Auch der Energieminister sowie Muscats Kabinettschef standen im Visier von Galizias Recherchen. Viele Vertreter aus Regierung und Politik in höchsten Kreisen hatten ein Motiv, die Journalistin für immer mundtot zu machen. Ihre Vorwürfe reichten von Drogenhandel und Geldwäsche über Korruption bis hin zu Steuerbetrug.

In ihren letzten Wochen fühlte Galizia offenbar, dass das Damoklesschwert des Todes längst über ihr schwebte. Mehrfach hatte sie Morddrohungen erhalten und bat deshalb die maltesischen Behörden um Schutz. Diese unternahmen — nichts. Prophetisch schrieb sie in ihrem letzten Blogeintrag: „Wo du auch hinschaust, überall sind die Gauner. Es ist hoffnungslos.“ 25 Minuten später war sie tot.

Galizia hatte sich auf den Weg in die Stadt gemacht, als die Bombe unter ihrem Auto explodierte und ihren Körper in Stücke riss. Seit ihrem Tod geht Galizias Sohn Matthew hart mit der maltesischen Politik hart ins Gericht. Insbesondere Staatschef Muscat soll jahrelang versucht haben, seine Mutter einzuschüchtern und ihre Arbeit zu sabotieren. „Wir sind ein Mafia- Staat“, schrieb er resigniert. Der Fall der maltesischen Journalistin, die am Freitag im Kreise ihrer Familie beerdigt wurde, hat auch in der Europäischen Union für breites Entsetzen gesorgt: „Der Mord an Galizia war ein Anschlag auf Europas Werte“, sagt der Grüne Europa-Abgeordnete Sven Giegold und hält fest: „Auch in Europa müssen wir ständig aufs Neue für unsere demokratischen Prinzipien kämpfen.“ Malta müsse die Mörder finden, aber „mit gleicher Dringlichkeit die Strukturen verändern, die diese Tat erst möglich gemacht haben.“

Auch „Reporter ohne Grenzen“ beschäftigt sich mit dem Fall Galizia, wie Pressereferentin Anne Renzenbrink erklärt. Der gemeinnützige Verein veröffentlich jedes Jahr ein Ranking von weltweit 180 Staaten, das dokumentiert, wie es in den einzelnen Ländern um die Pressefreiheit bestellt ist. Malta rangiert dort auf Platz 47. Deutschland bringt es zum Vergleich auf Platz 17.

„Unsere Mitarbeiter sind kurz nach dem Mord nach Malta gereist und haben mit den Angehörigen gesprochen. Die Angst und die Verunsicherung unter den maltesischen Journalisten ist allerdings groß.“ Jetzt käme es vor allem auf die Kooperation der Behörden und lückenlose Aufklärung des Mordes an, so Renzenbrink. Damit Daphne Caruna Galizia als das in Erinnerung bleibe, was sie war: „eine mutige Kämpferin der Pressefreiheit.“