Erneuter Zwischenfall mit OSZE-Beobachtern in Ostukraine
Donezk (dpa) - Die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) hat am Mittwoch vorübergehend den Kontakt zu einer weiteren Beobachtergruppe in der Ostukraine verloren. Zwischenzeitlich war unklar, ob die elf Mitarbeiter in Sicherheit waren.
Die Beobachter waren in drei Fahrzeugen auf dem Weg in die Großstadt Dnjepropetrowsk rund 250 Kilometer westlich von Donezk, als sie an einem Kontrollposten gestoppt wurden. Sie kehrten später nach Donezk zurück. In der Region werden seit Montag vier weitere OSZE-Beobachter vermisst.
Ukrainische Regierungseinheiten und prorussische Separatisten lieferten sich den zweiten Tag in Folge Gefechte am Flughafen der Millionenstadt Donezk. In der Gegend seien Schüsse zu hören, teilte die Verwaltung der Industriemetropole mit. Nach Angaben des Verteidigungsministeriums wurde eine Militäreinrichtung auch mit Granatwerfern angegriffen. Der künftige Präsident Petro Poroschenko sagte der „Bild“-Zeitung, die russisch geprägte Region befinde sich im „Kriegszustand“.
Regierungschef Arseni Jazenjuk kündigte intensive Bemühungen im Fall der verschleppten OSZE-Mitarbeiter an. „Wir tun alles was wir können, um diese Leute frei zu bekommen“, sagte er dem ZDF. Jazenjuk machte „aus Russland gelenkte Terroristen“ für die Verschleppung der Mitarbeiter aus Estland, Dänemark, der Schweiz und der Türkei verantwortlich. Ein Führungsmitglied der Separatisten betonte hingegen: „Uns ist nichts bekannt über ihren Aufenthaltsort oder ihr Schicksal“, sagte Miroslaw Rudenko der Agentur Interfax.
Die prowestliche Führung geht in der Region mit einer „Anti-Terror-Operation“ gegen prorussische Kräfte vor, die weitgehend die Kontrolle über Donezk haben. Dabei wurden in den vergangenen Tagen Dutzende Menschen getötet und verletzt. Der russische Außenminister Sergej Lawrow sagte in einem Telefonat mit seinem deutschen Kollegen, es gebe für die prowestliche Führung in Kiew keine Rechtfertigung, die Operation fortzusetzen. Bei einem Empfang warnte Lawrow zudem, die Ex-Sowjetrepublik stehe vor einem „brüdermordenden Krieg“.
Einer der Anführer der selbst ernannten „Volksrepublik Donezk“ bat Kremlchef Wladimir Putin erneut um Aufnahme in die Russische Föderation. „Wir sind Russen, eben deswegen werden wir umgebracht“, sagte Denis Puschilin in einer Videoansprache. Es seien bereits „Tausende“ Menschen getötet zu werden. „Helfen Sie uns dabei, diesen Völkermord zu stoppen“, sagte Puschilin.
Der Donezker Bürgermeister Alexander Lukjantschenko rief die Einwohner in der Gegend um den Flughafen auf, aus Sicherheitsgründen zu Hause zu bleiben sowie Fenster und Balkone zu meiden. Einige Busse änderten ihre Fahrtrouten. Der Airport, der für die Fußball-Europameisterschaft 2012 modernisiert worden war, wurde bei den jüngsten Gefechten stark beschädigt, wie Amateurvideos zeigen. Im Stadtzentrum von Donezk demonstrierten Hunderte, darunter Bergleute, gegen den Militäreinsatz.
Auch aus Slawjansk wurden wieder Schusswechsel gemeldet. Dabei seien sieben Zivilisten verletzt worden, darunter ein Kind, behaupteten die Separatisten. Ein Kindergarten sei stark beschädigt worden. Im benachbarten Gebiet Lugansk griffen Aufständische einen Stützpunkt der Nationalgarde an. Dabei habe es Opfer auf beiden Seiten gegeben, teilte die Truppe mit.
Der Militärexperte Dmitri Tymtschuk betonte, dass in den Reihen der Regierungsgegner mehrere Ausländer kämpften. So seien unter den Getöteten Serben sowie Russen aus der Konfliktregion Nordkaukasus, etwa aus dem früheren Kriegsgebiet Tschetschenien, identifiziert worden. Russland und die Separatisten wiederum behaupten, dass US-Söldner die Regierungstruppen unterstützen.
Der künftige ukrainische Präsident Poroschenko zeigte sich im Gespräch mit „Bild“ unterdessen „glücklich“ über eine Einladung des französischen Staatschefs François Hollande zu den D-Day-Feierlichkeiten in der Normandie am 6. Juni. Der Schritt gilt als heikel, da auch Putin bei der Zeremonie erwartet wird. Es wäre das erste Zusammentreffen des Kremlchefs mit westlichen Staats- und Regierungschefs seit dem umstrittenen Anschluss der Schwarzmeerhalbinsel Krim an Russland.
Auf dem Kiewer Unabhängigkeitsplatz (Maidan) lehnten Aktivisten eine Auflösung ihres Protestlagers ab. „Der Maidan geht nicht auseinander, solange unsere Forderungen nicht erfüllt sind“, betonten verschiedene Gruppen in einem Manifest. Gefordert wird unter anderem eine Bestrafung der Verantwortlichen für den Tod von etwa 100 Demonstranten im Februar.