Erstmals Stichwahl um das Präsidentenamt in Argentinien

Buenos Aires (dpa) - Die konservative Opposition hat bei der Präsidentenwahl in Argentinien einen Erfolg erzielt und den Mitte-Links-Kandidaten Daniel Scioli in die Stichwahl gezwungen.

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Der Kandidat der Regierungskoalition FPV von Amtsinhaberin Cristina Fernández de Kirchner kam am Sonntag auf nur 36,9 Prozent und verfehlte damit die für einen Sieg in der ersten Runde notwendige Mehrheit. Der konservative Oppositionspolitiker Mauricio Macri lag mit 34,3 Prozent fast gleichauf.

Beide Politiker begannen sofort, die Wähler des drittplatzierten Sergio Massa (21,3 Prozent) zu umwerben. Der Ausgang der Stichwahl am 22. November war offen. Es ist das erste Mal in der Geschichte des südamerikanischen Landes, dass ein Präsident erst in einer Stichwahl bestimmt wird.

Das drittgrößte Land Lateinamerikas wird seit 2003 von den Kirchners regiert: von 2003 bis 2007 führte der 2010 gestorbene Néstor Kirchner das Land, seither seine Frau Cristina. Sie durfte gemäß der Verfassung nicht für eine dritte Amtszeit in Folge antreten. Nach einem jahrelangen Wirtschaftsboom stagniert die Entwicklung inzwischen.

In Argentinien muss ein Kandidat 45 Prozent der Stimmen erreichen oder mindestens 40 Prozent sowie 10 Prozentpunkte Vorsprung auf den Zweitplatzierten haben, um in der ersten Runde zu gewinnen.

Der drittplatzierte Massa, ein früherer Kabinettschef Kirchners und heutiger Regierungskritiker, kündigte am Wahlabend an, er werde mit seiner Allianz UNA den beiden Kandidaten der Stichwahl Bedingungen für seine Unterstützung stellen.

Bei den allgemeinen Wahlen wurde auch die Hälfte der 257 Mitglieder des Abgeordnetenhauses neu bestimmt. Nach dem vorläufigen Ergebnis wird keine Gruppierung über eine eigene Mehrheit verfügen. Die Regierungskoalition Frente para la Victoria (Siegesfront, FPV) wird rund 110 Abgeordnete zählen. Macris Allianz Cambiemos (Lasst uns verändern) kann mit etwa 90 Abgeordneten rechnen. 30 Mandate entfallen auf Massas UNA. In der Vergangenheit wechselten jedoch viele Abgeordnete während der Legislaturperiode die Seiten.

Die Regierung Kirchner erlitt auch bei der Gouverneurswahl in der Provinz Buenos Aires eine Niederlage. Ihr Kandidat Aníbal Fernández verlor unerwartet gegen die junge Kandidatin María Eugenia Vidal von Macris Cambiemos.

Macri gab sich zuversichtlich. „Es ist der Anfang einer neuen Etappe“, sagte er in der Wahlnacht. Scioli forderte die ungebundenen Wähler und die Anhänger Massas auf, in der Stichwahl für ihn zu stimmen. Nur er werde die Rechte von Arbeitern und der Mittelschicht verteidigen.

Die wirtschaftliche Lage des einst reichen Landes ist sehr durchwachsen. Durch den Streit mit internationalen Hedgefonds vor einem US-Gericht und der Weigerung der Regierung Kirchner, Milliardenschulden bei ihnen zu begleichen, ist das Land technisch zahlungsunfähig. Der Internationale Währungsfonds (IWF) erwartet für 2016 einen Rückgang der Wirtschaftsleistung um 0,7 Prozent.

Die größten Handelspartner Argentiniens sind Brasilien und China, gefolgt von den USA und Deutschland. Die wichtigsten Exportgüter sind sind Agrarprodukte wie Soja und Mais sowie Erzeugnisse der Automobilindustrie. Hauptaufgabe der neuen Regierung wird es angesichts der wirtschaftlichen und finanziellen Lage sein, das Vertrauen der internationalen Investoren zurückzugewinnen.