Sorge um EU-Flüchtlingspolitik nach Rechtsruck in Polen

Warschau (dpa) - Nach dem klaren Sieg der Konservativen bei der Parlamentswahl in Polen steht Deutschlands Nachbarland vor einem Rechtsruck.

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Die bisherige Oppositionspartei Recht und Gerechtigkeit (PiS) kann nach Hochrechnungen vom Montag allein ohne Koalitionspartner regieren - ein Novum in Polen seit dem Ende des Kommunismus. Außerdem ist erstmals seit 1989 keine einzige linke Partei im Parlament vertreten.

Am Nachmittag kamen allerdings Unsicherheiten auf, ob die PiS tatsächlich die absolute Mehrheit erhält. Sollte die rechtsnationale Korwin-Bewegung doch noch über die fünf Prozent Hürde kommen, würde dies die Sitzverteilung im künftigen Sejm entscheidend ändern. „Alles ist möglich“, sagte Andrzej Olszewski vom Ipsos-Institut im Sender TVN 24. Womöglich könnten „einige Zehntel Prozent“ entscheiden.

Im Wahlkampf hatten sich PiS-Politiker klar gegen die Aufnahme muslimischer Flüchtlinge ausgesprochen. Zwischen 2005 und 2007 hatten Regierungspolitiker der Partei zudem für viele Irritationen im deutsch-polnischen Verhältnis gesorgt.

Nach dem aktuellen PiS-Sieg äußerte SPD-Generalsekretärin Yasmin Fahimi ihre Sorge, Polen könne künftig eine ähnliche Verweigerungshaltung in der EU-Flüchtlingspolitik verfolgen wie Ungarn.

Nach einer Prognose vom frühen Montagmorgen stimmten 37,7 Prozent der Wähler für PiS und ihre Spitzenkandidatin Beata Szydlo. Wenn nicht doch noch weitere Parteien ins Parlament kommen, reicht dies, um mit 232 Abgeordneten im Parlament mit 460 Mandaten allein zu regieren.

Szydlo hatte im Wahlkampf auf sozialpolitische Themen gesetzt und keine näheren Angaben über den künftigen außenpolitischen Kurs gemacht. Als die PiS von 2005 bis 2007 regierte, sorgten nationale Alleingänge für Irritationen innerhalb der EU. Es kam zu einer deutlichen Abkühlung im Verhältnis zu Deutschland.

PiS-Fraktionschef Mariusz Blaszczak heizte Spekulationen über Szydlos künftige Rolle an: „Ich weiß nicht, ob sie Regierungschefin wird“, sagte er im Sender „TVP Info“. „Vorerst ist sie die Kandidatin.“ Die Opposition mutmaßt schon länger, dass der PiS-Vorsitzende Jaroslaw Kaczynski im Hintergrund alle Fäden zieht und eigene Ambitionen auf den Posten als Regierungschef hat.

Der PiS gelang es, neue Wählergruppen zu gewinnen. Sie führt bei der diesjährigen Parlamentswahl erstmals auch in den Großstädten und im Westen Polens. Besonders auffallend: Zwei Drittel der Jungwähler gaben der PiS oder anderen rechten Parteien die Stimme.

Die konstituierende Sitzung des neuen Parlaments muss spätestens am 24. November stattfinden, bis zum 8. Dezember muss die neue Regierung vereidigt werden.

Die liberalkonservative Bürgerplattform (PO) von Regierungschefin Ewa Kopacz erhielt lediglich 23,6 Prozent der Stimmen und hätte der Prognose zufolge 137 Mandate. Bei den Parlamentswahlen vor vier Jahren hatten noch 33,7 Prozent der Wähler für die PO gestimmt und 23,2 Prozent für die PiS.

Im künftigen Parlament sind Prognosen zufolge fünf Parteien vertreten. Drittstärkste Partei ist danach die konservative Bewegung Kukiz des ehemaligen Rockmusikers Pawel Kukiz, die 8,7 Prozent der Stimmen erhielt und auf 42 Abgeordnetensitze hoffen kann.

Außerdem schafften es die wirtschaftsliberale Partei Nowoczesna mit 7,7 Prozent und die Bauernpartei PSL mit 5,2 Prozent ins Parlament. Die deutsche Minderheit in Polen ist wie bereits in den Vorjahren mit einem eigenen Abgeordneten im Sejm vertreten.