Organisation vor Auflösung „Es tut uns aufrichtig leid“: ETA bittet Opfer um Vergebung

Madrid (dpa) - Wenige Wochen vor ihrer geplanten Auflösung hat die baskische Untergrundorganisation ETA in einem bislang einzigartigen Schritt um Vergebung für die blutigen Taten der Vergangenheit gebeten.

Foto: dpa

„Infolge von Fehlern oder falschen Entscheidungen hat die ETA auch Opfer getroffen, die nicht direkt am Konflikt beteiligt waren“, hieß es in einem vom 8. April datierten Schreiben, das von der baskischen Zeitung „Gara“ veröffentlicht wurde. „Es tut uns aufrichtig leid.“

Die ETA sei sich bewusst, dass ihre Handlungen auch Bürgern und Bürgerinnen Schaden zugefügt hätten, die keinerlei Verantwortung trugen. „Diese Menschen und ihre Familien bitten wir um Verzeihung.“

Die vor 59 Jahren gegründete Separatistenorganisation hatte in Spanien jahrzehntelang einen blutigen Kampf für ein unabhängiges Baskenland geführt. Bei zahlreichen Anschlägen kamen mehr als 800 Menschen ums Leben. 2011 hatte die ETA (Euskadi Ta Askatasuna - Baskenland und Freiheit) ihren Gewaltverzicht erklärt und ein Jahr später ihre Entwaffnung und Auflösung in Aussicht gestellt. Damit endete Westeuropas letzter großer bewaffneter Aufstand.

Die baskische Bevölkerung habe in den Jahren des bewaffneten Kampfes „übermäßig gelitten“ und die Organisation erkenne ihre direkte Verantwortlichkeit dafür an, so die Erklärung weiter. Der ETA sei klar, dass diese Worte das Geschehene nicht auslöschen und den Schmerz lindern könnten. „Wir sagen dies mit Respekt, ohne neuen Kummer verursachen zu wollen.“

Erst am Mittwoch hatte der baskische Regionalsender EITB berichtet, die ursprünglich als Widerstandsgruppe gegen die Franco-Diktatur gegründete Organisation werde voraussichtlich am ersten Maiwochenende im französischen Teil des Baskenlandes offiziell ihre Auflösung bekanntgeben. Vor mehreren Wochen hatte „Gara“ ein Schreiben der ETA veröffentlicht, in dem diese ankündigte, ihre Auflösung eingeleitet zu haben.

Die öffentliche Entschuldigung sorgte in Spanien für großes Aufsehen. Der spanische Staat und Opfervereinigungen hatten lange gefordert, dass die Gruppe ihrem Gewaltverzicht auch eine Bitte um Vergebung für die entstandenen Schäden folgen lassen müsse. Dennoch gab es unterschiedliche Reaktionen auf das Schreiben.

Die konservative Regierung von Mariano Rajoy betonte, die Erklärung sei „eine Folge der Stärke des Rechtsstaates“, der die Organisation „mit den Waffen der Demokratie“ besiegt habe. Auch Oppositionsführer Pedro Sánchez bewertete die Erklärung positiv: „Dies ist ein großer Schritt, denn für endgültigen Frieden bedarf es einer Anerkennung des schrecklichen Schadens und Schmerzes, die verursacht wurden“, sagte der Sozialist.

Opfervereinigungen kritisierten hingegen, die ETA mache in der Erklärung einen Unterschied zwischen irrtümlich betroffenen Opfern und solchen, die absichtlich getötet worden seien, wie zahlreiche Militärs oder Polizisten. „Die ETA behandelt die Opfer wie Kollateralschäden bei der Durchsetzung ihres totalitären Projektes, auf das weder die Terroristen noch ihr politischer Arm verzichtet haben“, betonte der Opferverband Covite. Eine solche selektive Entschuldigung sei nicht nur eine Beleidigung für die Terroropfer, sondern für die ganze Gesellschaft.