EU-Krisengipfel Merkel spricht sich für längeren Brexit-Aufschub aus

Brüssel · Wieder ein Krisengipfel. Zum zweiten Mal binnen drei Wochen müssen die EU-Staats- und Regierungschefs beraten, ob sie dem innerlich zerris

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Der EU-Austritt Großbritanniens wird wahrscheinlich abermals verschoben und ein Chaos-Brexit am Freitag gestoppt. Dies zeichnete sich am Mittwoch zu Beginn des EU-Krisengipfels in Brüssel ab. Bundeskanzlerin Angela Merkel und ihre EU-Kollegen berieten aber am Abend noch, wie lange die neue Frist dauern soll. Die britische Premierministerin Theresa May hat einen Aufschub bis zum 30. Juni beantragt und pochte in Brüssel darauf, dass der Austritt noch vor dem Beginn der Europawahl am 23. Mai zu schaffen sei.

Merkel erwartete indes eine längere Verschiebung. Bei ihrer Ankunft in Brüssel erinnerte die Kanzlerin an die historische Verantwortung und an das Eigeninteresse der Europäischen Union, einen ungeregelten Austritt am bisher vorgesehenen Brexit-Termin 12. April - das ist der nächste Freitag - zu vermeiden. Die 27 bleibenden Länder sollten offen und konstruktiv über die britische Bitte um Aufschub diskutieren. „Ich habe keinen Zweifel, dass wir diese Einigkeit der 27 auch wieder erreichen werden“, sagte die CDU-Politikerin.

Dass es eine weitere Verschiebung geben soll, war bereits in den Stunden vor dem Gipfel im Kreis der 27 Länder weitgehend geklärt. So zeigte sich der irische Premier Leo Varadkar sicher, dass die EU einen Konsens erzielen werde, „Großbritannien ein bisschen mehr Zeit zu geben“. Er rechne nicht mit einem Austritt des Landes am Freitag.

Der französische Präsident Emmanuel Macron beharrte jedoch auf Bedingungen. Die Handlungsfähigkeit der EU dürfe nicht beeinträchtigt werden und Großbritannien müsse Klarheit über den Zweck des Aufschubs schaffen. Noch sei alles offen, sagte Macron zu Berichten, dass es auf eine lange Verschiebung des britischen EU-Austritts hinauslaufe.

Ein langer Aufschub war nach Darstellung von Diplomaten der Wunsch der meisten EU-Staaten, um für einige Monate Ruhe in den Austrittsprozess zu bringen. Als Daten waren Stichtage im Dezember 2019, im Februar oder März 2020 im Gespräch. Merkel sagte bereits Mittwochnachmittag im Bundestag: „Es kann gut sein, dass es eine längere Verlängerung als die von der britischen Premierministerin erbetene ist.“

Großbritannien soll aber früher gehen können, sobald in London eine Lösung steht. Das hob May bei ihrer Ankunft in Brüssel hervor und signalisierte, dass eine längere Frist unter diesen Bedingungen für sie akzeptabel wäre.

May steckt in der Klemme, weil das britische Parlament den mit der EU ausgehandelten Austrittsvertrag inzwischen drei Mal abgelehnt hat. Deshalb war der Brexit schon einmal vom 29. März auf den 12. April verschoben worden. Doch kam man in London einer Lösung nicht näher.

In letzter Sekunde von May angebotene Vermittlungsgespräche mit Labour-Chef Jeremy Corbyn brachten kurzfristig noch keine Lösung, sollen aber am Donnerstag weitergehen. Labour will eine weichere Form des Brexits mit einer Zollunion und eine engeren Anbindung an die EU, was Hardliner in Mays Konservativer Partei jedoch kategorisch ablehnen.

Die Premierministerin hofft, den Knoten noch kurzfristig zu lösen, eine Mehrheit im Parlament zu finden und den Austritt mit Vertrag noch vor der Europawahl (23.-26. Mai) zu schaffen. Dann träte eine Übergangsphase in Kraft. Ihr Land müsste nicht mehr mitwählen und keine neuen Abgeordneten ins EU-Parlament schicken. Das wäre auch vielen EU-Politikern das liebste.

Zur Sicherheit will May in Großbritannien aber am 23. Mai eine EU-Wahl vorbereiten. Das hatten die 27 bleibenden EU-Länder als Bedingung formuliert. Die Wahlteilnahme soll sicherstellen, dass es keine rechtlichen Schwierigkeiten gibt, wenn Großbritannien im Sommer noch EU-Mitglied sein sollte, aber keine EU-Abgeordneten gewählt hat. Sollte Großbritannien aus irgendeinem Grund doch nicht wählen, müsste es einem Entwurf der Gipfel-Erklärung zufolge am 1. Juni gehen.

Eine weitere Bedingung für eine Brexit-Verschiebung sollte dem Entwurf zufolge sein, dass sich die britische Regierung verpflichtet, im Rat der Mitgliedsländer nicht mehr aktiv in EU-Entscheidungen einzugreifen. Relevant könnte dies bei der Auswahl des nächsten EU-Kommissionschefs oder den Verhandlungen über den EU-Finanzrahmen für die Jahre 2021 bis Ende 2027 sein.

Im Entwurf heißt es, Großbritannien müsse sich bereiterklären, bis zum endgültigen Austritt „konstruktiv“ und „verantwortungsvoll“ zu handeln. Das Land müsse alles unterlassen, was die Erreichung der von der EU gesteckten Ziele in Gefahr bringe.

(dpa)