EU-Kommissionspräsident: David Camerons Niederlage in Brüssel
Mit dem Ungarn Viktor Orban hatte der britische Premierminister nur einen Mitstreiter gegen die Wahl von Jean-Claude Juncker.
Brüssel. Der Luxemburger Jean-Claude Juncker ist gegen den heftigen Widerstand Großbritanniens auf dem EU-Gipfel in Brüssel als EU-Kommissionspräsident nominiert worden. Während Juncker sich gestern als „stolz und geehrt“ bezeichnete, kritisierte der britische Premier David Cameron: „Das ist ein schlechter Tag für Europa.“
Der scheidende Amtsinhaber José Manuel Barroso gratulierte Juncker. „Ich denke, er ist ein wirklicher Europäer und ein Politiker mit außerordentlicher Erfahrung“, sagte der Portugiese. Der 59-jährige Juncker muss nun noch die Zustimmung des Europaparlaments erhalten, was jedoch als sicher gilt. Dann kommen auf den neuen Kommissionschef eine Reihe schwerer Aufgaben zu: Die Arbeitslosigkeit in der EU ist besonders unter jungen Menschen hoch, zudem muss die Gemeinschaft eine Balance zwischen Haushaltsdisziplin und Wachstumspolitik finden und verlorenes Vertrauen zurückgewinnen.
Genau das traut Cameron Juncker nicht zu. Der Luxemburger sei „die falsche Person“ und werde Europa nicht voranbringen, warnte der unter massivem Druck von EU-Gegnern stehende Cameron. In seinem Widerstand gegen die Berufung Junckers hatte der Brite nur den Ungarn Viktor Orban an seiner Seite — die 26 anderen Gipfelteilnehmer überstimmten sie.
Der Premier hat den Briten ein Referendum über den Verbleib der Insel in der Gemeinschaft versprochen. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) will sich angesichts des Streits um einen Verbleib Großbritanniens in der EU bemühen. „Ich hab ein großes Interesse daran, dass Großbritannien weiter ein Mitglied der europäischen Gemeinschaft ist“, sagte Merkel. Zuvor hatte die Bundeskanzlerin bereits signalisiert bei der politischen Ausrichtung der EU für die kommenden Jahre Großbritannien entgegenzukommen.
Beim Gipfel wurde auch die strategische Agenda für die Zukunft diskutiert. „Das ist ganz klar, dass wir eine Neuausrichtung brauchen, die orientiert ist auf Stabilität der Finanzen, auf Wachstum, auf Beschäftigung und Abbau von Bürokratie“, sagte Merkel. Eine Änderung des EU-Stabilitätspakts soll es aber nicht geben. „Wir ändern die Regeln nicht“, sagte dazu EU-Ratspräsident Herman Van Rompuy.
Geklärt Einen Monat nach der Europawahl haben die EU-Staats- und Regierungschefs eine zentrale Personalie im Poker um Topposten in Europa geklärt. Weitere Personalentscheidungen werden in den kommenden Monaten folgen. Die wichtigsten Termine des europäischen Kalenders:
1. bis 3. Juli Die 751 Abgeordneten des Europaparlaments kommen zur konstituierenden Sitzung in Straßburg zusammen. Dabei wählen sie den Präsidenten des Europaparlaments — voraussichtlich erneut der deutsche Sozialdemokrat Martin Schulz — und dessen insgesamt 14 Stellvertreter.
14. bis 17. Juli Die Europaparlamentarier treffen sich zu einer erneuten Sitzung. Dabei wollen sie den neuen Kommissionspräsidenten wählen, der den Portugiesen José Manuel Barroso beerbt. Der neue Kommissionschef muss mindestens die Hälfte der Stimmen auf sich vereinen. Für den nun nominierten Juncker dürfte dies kein Problem sein.
16. oder 17. Juli Die EU-Staats- und Regierungschefs kommen zu einem Sondergipfel zusammen. Bei diesem sollen andere Personalien entschieden werden. Unter anderem müssen Nachfolger für EU-Ratspräsident Herman Van Rompuy und die EU-Außenbeauftragte Catherine Ashton gefunden werden.
September Außer dem Amt des EU-Kommissionspräsidenten werden auch alle anderen Kommissarsposten neu besetzt. Dabei darf jedes der 28 Länder einen Vertreter nach Brüssel schicken. Die Bewerber müssen sich Anhörungen in den zuständigen Parlamentsausschüssen stellen. Die Gremien urteilen dann über die Eignung der Kandidaten.
Oktober Nun soll das Kommissionsteam stehen. Der Kommissionspräsident stellt es ebenso wie sein Programm den Abgeordneten vor. Das Parlament muss der Ernennung zustimmen.