May unter Druck Britischer Vize-Premier Damian Green tritt zurück

London (dpa) - Die Regierung in London zerbröselt: Die britische Premierministerin Theresa May steht nach dem Rücktritt ihres Stellvertreters Damian Green im Zuge eines Sex-Skandals extrem stark unter Druck.

Der britische Vize-Premierminister und Kabinettschef Green ist zurückgetreten.

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Der Kabinettschef war wegen Belästigungsvorwürfen und Berichten über Pornografie auf seinen Dienstrechnern unter Beschuss geraten. Der 61-Jährige gab am Mittwochabend sein Amt auf.

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Eine Untersuchung habe „missverständliche“ und „fehlerhafte“ Angaben Greens zu den Anschuldigungen aufgedeckt, teilte May mit. Sie hatte ihren langjährigen Weggefährten daher zum Rücktritt aufgefordert. Green entschuldigte sich teilweise in einem Brief für sein Verhalten.

Mit Green verliert die ohnehin seit der fehlgeschlagenen Neuwahl im vergangenen Juni politisch angeschlagene Premierministerin binnen kurzer Zeit das dritte Kabinettsmitglied und ihren wohl engsten Vertrauten. Beide verbindet eine jahrzehntelange Freundschaft. May werde erst im neuen Jahr einen Nachfolger benennen, teilte ein Regierungssprecher am Donnerstag der Deutschen Presse-Agentur mit.

Anfang November hatte Verteidigungsminister Michael Fallon wegen Belästigungsvorwürfen seinen Posten aufgegeben. Auch er galt als Stütze Mays. Nur eine Woche später trat Entwicklungshilfeministerin Priti Patel zurück, weil sie sich ohne Absprache im Israel-Urlaub mit Premierminister Benjamin Netanjahu getroffen hatte. „Weihnachten kann gar nicht früh genug für Theresa May kommen, denn ihr Kabinett zerbröselt weiter“, so Alistair Carmichael von den Liberaldemokraten.

Green dürfte May auch als Stütze beim heiklen Thema Brexit fehlen. Denn die Minister fahren keinen einheitlichen Kurs beim EU-Austritt. EU-freundliche Politiker wie Schatzkanzler Philip Hammond streiten sich mit Brexit-Hardlinern wie Außenminister Boris Johnson.

Eine fast 30 Jahre jüngere Journalistin hatte Kabinettschef Green beschuldigt, ihr während eines Pub-Besuchs 2015 ans Knie gefasst und 2016 eine anzügliche Nachricht geschickt zu haben. Daraufhin wurde eine interne Untersuchung eingeleitet. Dazu kam, dass ehemalige Polizisten berichteten, im Jahr 2008 sei auf einem von Greens Computern im Parlament pornografisches Material entdeckt worden.

In seinem Brief teilte Green nun mit, dass er sich nicht erinnern könne, die Journalistin belästigt zu haben. Falls er sie durch sein Verhalten in eine unangenehme Situation gebracht haben sollte, tue es ihm leid. Er habe auch keine Pornografie auf seinem Dienstcomputer heruntergeladen oder angeschaut. Im Gegensatz zu früheren Behauptungen habe er aber von Ermittlungen gegen ihn wegen Pornografie auf Computern gewusst. „Ich entschuldige mich dafür, dass meine Stellungnahmen an diesem Punkt missverständlich waren.“

Vor seinem Rücktritt hatte Green noch alle Vorwürfe vehement abgestritten. So bezeichnete er per Kurznachrichtendienst Twitter die Berichte über Pornografie als politische Hetzkampagne. Einer der Ex-Polizisten habe schon einmal versucht, ihn in Verruf zu bringen. Alle Anschuldigungen seien unwahr. Green hatte auch die Belästigungsvorwürfe zurückgewiesen. Er habe gedacht, zu der Frau ein freundschaftliches Verhältnis zu haben, und sei enttäuscht.

Green gehört zu etwa 40 Abgeordneten, die auf einer in der konservativen Fraktion kursierenden Liste mit Verfehlungen stehen. Einige Anschuldigungen gegen die Politiker haben sich allerdings als falsch oder harmlos herausgestellt, andere haben sich bewahrheitet. Die Sexismus-Debatte in Großbritannien kam in Fahrt, nachdem Dutzende Frauen sich vor allem in den USA über Belästigungen und Missbrauch durch den Hollywood-Mogul Harvey Weinstein beschwert hatten.

Wird es weitere Rücktritte geben? Brexit-Minister David Davis hatte Medien zufolge angekündigt: Wenn Green wegen der Vorwürfe seinen Hut nehmen müsse, dann würde auch er aus Protest gehen. Davis war früher Greens Chef. Von einem Rücktritt Davis' ist nun nicht mehr die Rede. „Wir sind froh, bestätigen zu können, dass er nicht zurücktreten wird“, teilte sein Sprecher der Deutschen Presse-Agentur mit.