Umbau der Justiz Verfahren gegen Polen wegen Gefährdung von Grundwerten
Brüssel (dpa) - Polen muss sich als erstes Land einem Verfahren wegen Gefährdung von Grundwerten der Europäischen Union stellen. Grund ist der Umbau der Justiz durch die nationalkonservative Regierung in Warschau.
Die EU-Kommission sieht den Rechtsstaat in Gefahr und beantragte, dass sich der Rat der EU-Länder mit Sanktionen befasst. Schlimmstenfalls könnten Polen Stimmrechte entzogen werden. Warschau will trotzdem nicht nachgeben.
Ministerpräsident Mateusz Morawiecki von der Regierungspartei PiS erklärte nach der Entscheidung aus Brüssel auf Twitter: „Die Justizreform in Polen ist unerlässlich.“ Jedoch will er sich im Januar mit EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker zum Gespräch über die Reformen treffen. Juncker lud Morawiecki für den 9. Januar nach Brüssel ein.
Das polnische Außenministerium erklärte, die Entscheidung Brüssels habe politischen und nicht rechtlichen Charakter. Die Entscheidung belaste die gegenseitigen Beziehungen unnötigerweise und erschwere den Aufbau von gegenseitigem Vertrauen und Einigkeit.
Justizminister Zbigniew Ziobro spielte die Eskalation herunter und sagte: „Ich nehme die Entscheidung mit Gelassenheit zur Kenntnis.“ Die Regierungspartei Recht und Gerechtigkeit PiS sieht sich im Recht und argumentiert, Polens Justizapparat sei seit dem Ende des Kommunismus 1989 nicht reformiert worden und die Richter seien größtenteils korrupt.
Für die EU-Kommission sagte Vizepräsident Frans Timmermans, man eröffne das Verfahren nach Artikel 7 der EU-Verträge nur schweren Herzens. „Aber die Fakten lassen uns keine andere Wahl.“ Die polnischen Reformen seien eine ernste Gefahr für die Unabhängigkeit der Justiz und die Gewaltenteilung in Polen. „Heute ist die Verfassungsmäßigkeit der Gesetzgebung nicht mehr garantiert“, sagte Timmermans.
Man habe immer wieder Empfehlungen gegeben und den Dialog gesucht. Dieser sei dieses Jahr nicht mehr zustande gekommen, sagte Timmermans. Doch habe Warschau immer noch die Möglichkeit zur Kurskorrektur und zum Gespräch. Man habe neue Empfehlungen zur Lösung der Krise gegeben. Sollte die Regierung dem binnen drei Monaten folgen, werde die Kommission erneut beraten, sagte Timmermans.
Präsident Andrzej Duda kündigte kurz nach dem Beschluss der Kommission an, zwei kritisierte Justizgesetze zu unterschreiben. Regierungskritiker sahen darin ein fatales Signal für die Dialogbereitschaft mit der Kommission.
Die Reformen zu Oberstem Gericht und Landesjustizrat hatten bereits das Parlament passiert, in dem die PiS die Mehrheit hat. Duda betonte, es seien sehr gute Gesetze, die der Demokratisierung des Landes dienen würden. Rechtsexperten kritisieren dagegen, mit der Neuregelung gewinne die PiS Einfluss auf Richter und Gerichte.
Die Bundesregierung unterstützt die Brüsseler Linie: „Die Kommission hat es sich wirklich nicht leicht gemacht“, sagte Sprecher Steffen Seibert. Der Entscheidung sei ein konstruktiver und intensiver Dialog vorausgegangen.
Das Verfahren zum Schutz der Rechtsstaatlichkeit nach Artikel 7 ist nach Darstellung der EU-Kommission die „letzte Handhabe, um Krisensituationen zu lösen und die Einhaltung der Werte der EU sicherzustellen“. Dabei obliegt es dem Rat der Mitgliedsländer, gegen Polen vorzugehen, um es zur Einhaltung der Normen zu bewegen.
Nach dem Antrag der Kommission könnten der Rat mit Vier-Fünftel-Mehrheit feststellen, dass die Gefahr einer schwerwiegenden Verletzung der Grundwerte der EU besteht. Vorher muss er allerdings die Zustimmung des Europaparlaments einholen, das erst im Januar wieder tagt.
Erst in einem weiteren Schritt könnten die Mitgliedsländer einstimmig feststellen, dass tatsächlich eine schwerwiegende Verletzung der Grundwerte vorliegt. Da Ungarn sein Veto angekündigt hat, gilt dies als unwahrscheinlich.