Außenminister in Kabul Auch Gabriel offen für Aufstockung der Afghanistan-Truppe
Kabul (dpa) - Nach Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) hat sich auch Außenminister Sigmar Gabriel (SPD) offen für eine Aufstockung der Bundeswehrtruppe in Afghanistan gezeigt.
„Aus der Sicht der Bundeswehr vor Ort ist eine eher moderate Aufstockung sinnvoll. Das muss jetzt der Deutsche Bundestag beraten“, sagte Gabriel bei einem überraschenden Kurzbesuch in Afghanistan. Er selbst positionierte sich aber noch nicht klar dazu. „Ich will dem nicht vorgreifen.“
Gabriel war der erste Minister, der die afghanische Hauptstadt Kabul nach dem verheerenden Anschlag auf die deutsche Botschaft dort am 31. Mai besuchte. Ein Selbstmordattentäter hatte einen mit mehreren Tonnen Sprengstoff beladenen Tanklaster in der Nähe der Botschaft in die Luft gejagt. Bis zu 150 Menschen starben, darunter zwei afghanische Botschaftsmitarbeiter.
Der Außenminister versprach dem afghanischen Präsidenten Aschraf Ghani bei einem einstündigen Treffen, die Botschaft so schnell wie möglich wiederaufzubauen. „Ich will hier deutlich sagen, das ist unsere feste Absicht, wir wollen eine volle, arbeitsfähige Botschaft in Kabul, und damit auch zeigen, dass wir zur Stadt aber auch zum ganzen Land stehen“, sagte Gabriel.
Derzeit ist der Botschafter mit einer Handvoll entsandter Diplomaten provisorisch auf dem Gelände der US-Vertreter untergebracht. Vor dem Anschlag hatte die Botschaft bis zu 100 Mitarbeiter. Ghani versicherte Gabriel, die Botschaft so gut es gehe zu schützen, und bedankte sich für die deutsche Unterstützung in den vergangenen 16 Jahren.
Die afghanische Regierung ist wegen der Ablösung des Gouverneurs der Provinz Balch in einer schweren Krise. Dessen an der Regierung beteiligte Partei drohte Ghani, „alle Mittel“ einzusetzen, um „das Recht des Volkes zu verteidigen“. Der Streit könnte zum Zerfall der Kabuler Koalition führen und Spannungen zwischen den Volksgruppen der Paschtunen und Tadschiken verstärken, auf die sich die Lager stützen. Das würde den Taliban nutzen.
Der Bundeswehreinsatz in Afghanistan hatte Anfang 2002 begonnen und war in den folgenden Jahren bis auf mehr als 5000 Soldaten ausgeweitet worden. 35 deutsche Soldaten wurden im Kampf gegen die radikalislamischen Taliban getötet. 2013 beendete die Nato den Kampfeinsatz.
Heute sind in Afghanistan noch rund 1000 deutsche Soldaten stationiert, die sich an einem Nato-Einsatz zur Ausbildung und Beratung der afghanischen Streitkräfte beteiligen. Die Militärs verlangen angesichts der schlechten Sicherheitslage mehr Personal zum Schutz der Ausbilder, damit sie effizienter arbeiten können.
Von der Leyen hatte bei ihrem Truppenbesuch in Afghanistan am Dienstag die politische Debatte darüber eröffnet. Das Parlament hatte den Einsatz erst in der vergangenen Woche für drei Monate verlängert. Im März muss neu entschieden werden.
Der Besuch in Kabul fand unter massiven Sicherheitsvorkehrungen statt und wurde erst nach der Abreise aus der afghanischen Hauptstadt öffentlich bekanntgegeben. Alleine in der afghanischen Hauptstadt gab es in diesem Jahr rund 20 schwere Anschläge mit Hunderten Toten. Gabriel besuchte auch das deutsche Feldlager im nordafghanischen Masar-i-Scharif, in dem die meisten der deutschen Soldaten stationiert sind. Während seines Besuchs gab Kabul den Tod von acht Polizisten und 15 Talibankämpfern in der Provinz Kundus bekannt, wo bis 2013 die Bundeswehr stationiert war.