EU sucht Kompromiss zu Flüchtlings-Milliarden für die Türkei
Brüssel/Berlin (dpa) - Nach dem Sondergipfel zur Flüchtlingskrise sucht die Europäische Union nach Wegen, um die Hilfsmilliarden für die Türkei zusammenzubekommen.
Noch in dieser Woche wollten die ständigen EU-Botschafter darüber beraten, hieß es in Brüssel. Das Thema sei kompliziert und umstritten und könne letztlich wieder die EU-Staats- und Regierungschefs beschäftigen.
Beim Sondergipfel am Sonntag hatten EU und Türkei einen Aktionsplan vereinbart, um den Zustrom syrischer Flüchtlinge nach Europa einzudämmen. Die EU sagte Ankara drei Milliarden Euro zu, damit Flüchtlinge im Land versorgt werden und Flüchtlingskinder eine Schule besuchen können. Die EU-Kommission will davon selbst 500 Millionen Euro schultern, nach dem üblichen EU-Schlüssel käme auf Berlin dann die gleiche Summe zu. Der Sondergipfel vereinbarte zudem, die Gespräche zum visafreien Reisen und die EU-Beitrittsverhandlungen zu beschleunigen. Ankara versprach, die heimischen Küsten besser zu schützen und effektiver gegen Schlepper vorzugehen.
Entgegen dem Kurs von Kanzlerin Angela Merkel (CDU), auf solche internationalen Lösungen zu setzen, fordern die CSU, aber auch Teile der CDU zusätzlich eine nationale Obergrenze - und finden Unterstützung selbst beim Zentralrat der Muslime (ZMD). „Moralisch kann es wegen der Werte unserer Verfassung und unserer historischen Verantwortung keine Obergrenze geben. Technisch aber schon“, sagte der Vorsitzende Aiman Mazyek der „Neuen Osnabrücker Zeitung“ (Dienstag). „Diese Obergrenze scheint in Deutschland offenkundig bald erreicht zu sein.“
Der SPD-Vorsitzende Sigmar Gabriel warnte davor, wegen des Zustroms besorgte Bürger in die extremistische Ecke zu stellen. „Man ist nicht automatisch rechtsradikal, wenn man Angst vor kultureller Überfremdung hat“, sagte der Vizekanzler nach Angaben des Berliner „Tagesspiegels“ bei einer von der Zeitung ausgerichteten Konferenz. Zugleich sprach er sich gegen Pläne der CDU für einen restriktiveren Umgang mit Flüchtlingen aus: Man könne nicht erst eine Million Flüchtlinge einladen, um sie dann möglichst schlecht zu behandeln. „Die Integration derer, die hier leben, und derer, die da kommen, darf nicht gegeneinander ausgespielt werden.“
Noch immer nicht beendet ist das Ringen der Koalition um das neue Asylpaket. Intern war erwogen worden, es an diesem Dienstag im Kabinett auf den Weg zu bringen. Es gebe aber noch Beratungsbedarf, die Gespräche dauerten „ein paar Tage länger“, sagte die Vize-Regierungssprecherin Christiane Wirtz. „Die Beratungen laufen, insofern möchte ich nicht über irgendwelche Termine spekulieren.“
Die SPD macht für die Verzögerung die Union verantwortlich. Eine schnelle und sinnvolle Einigung scheitere nicht an ihrer Partei, sagte SPD-Generalsekretärin Yasmin Fahimi in Berlin. Es sei die Union, die intern zerrissen sei. Es hake an der Frage des Familiennachzugs und der gesundheitlichen Versorgung schwangerer und schwer kranker Flüchtlinge.
Die Bundesregierung will unter anderem bestimmte Flüchtlingsgruppen in „besonderen Aufnahmeeinrichtungen“ unterbringen und deren Asylanträge dort im Schnellverfahren abwickeln. Vorgesehen sind auch Einschränkungen beim Familiennachzug für bestimmte Schutzsuchende. Abgelehnte Asylbewerber sollen zudem nur noch in schwerwiegenden Fällen aus Gesundheitsgründen von einer Abschiebung verschont werden.
Nach den Massenschlägereien am Wochenende in mehreren Berliner Flüchtlingsunterkünften hat es nach Polizeiangaben weitere Vorfälle geringerer Dimension gegeben. In einem Flüchtlingscamp in Itzehoe im Südwesten Schleswig-Holsteins wurden bei einer Schlägerei zwischen rund 20 Syrern und Afghanen fünf Personen verletzt. In einer Notunterkunft in Hattersheim bei Frankfurt am Main gingen rund 30 Bewohner aufeinander los. Vier Menschen wurden leicht verletzt, die Polizei nahm zwei mutmaßliche Täter fest. Bei einer Schlägerei zwischen Irakern und Iranern in einer Dresdner Flüchtlingsunterkunft wurden zwei Männer verletzt, einer davon schwer. Die konkreten Hintergründe des Streits waren in allen Fällen zunächst unklar.